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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Elefantenführer hob die Feldherrnlanze mit dem Halbmond der Tanit und dem kreisrunden Auge des Melqart. Hannibal saß hinter ihm. Zwischen den beiden Säulen, deren Bogen fehlte, reckte Syros den Rüssel und stieß einen Klagelaut aus; dann sackte er langsam vornüber in die Knie. Aus dem Maul rieselte Blut in dünnen Fäden. Der Lanzenträger sprang zu Boden und stützte den Strategen, der aus dem Nacken des großen Tiers glitt.
    Hannibal sah entsetzlich aus. Beide Augen waren aufgequollen und verfärbt; über das rechte schien sich ein Rhombenschleier gelegt zu haben. Das Gesicht war aschfahl, von Schmerzen zerfressen. Aber der Punier kam auf die Beine, schob den Lanzenträger beiseite und kniete neben dem Kopf von Syros nieder. Antigonos meinte, im Auge des Elefanten ein leichtes Zwinkern zu sehen; dann kippte der schwere Körper auf die Seite.
     
    Mago, Hasdrubal der Graue, Antigonos, Memnon und Maharbal versuchten alles, aber es war Muttines, dem es schließlich gelang, den Strategen zu zweitägiger Rast in einem verdunkelten Raum zu bewegen. Hannibal schwieg; und er aß nichts.
    »Als ob er sich völlig umgekrempelt hätte, das Äußere nach innen«, sagte Memnon. »Ohne daß etwas Inneres sichtbar wird. Sehr seltsam. Eine Art – eine Art heftiger Entspannung.«
    Unwillkürlich sprachen sie leise, obwohl ein Gang und zwei Wände zwischen Hannibals Ruhe und ihrem Beratungsraum lagen. Im Hauptgebäude des Guts bewegte sich alles auf Zehenspitzen; die Tausende draußen in ihren Zelten und Hütten waren fast beängstigend still, und das lag nicht nur an der Erschöpfung.
    »Im Augenblick ist ohnehin nichts zu erledigen«, sagte Mago. »Er soll ruhen. Rotes Auge des Melqart – wenn einer Ruhe verdient, dann er. Mit dem Heer gibt es keine Schwierigkeiten; die Kundschafter sind zuverlässig, und was an Entscheidungen nötig ist, können wir hier fällen. Die nächsten paar Tage. Aber dann…«
    Die Befehlsgewalt hatte den jüngsten der Barkiden fast schlagartig verändert. Keine Sticheleien gegen Antigonos oder den Libyphöniker; Muttines’ Gesicht zeigte deutlich eine Mischung aus Verwunderung und Erleichterung, wenn er Mago ansah.
    »Du bist der Heiler.« Maharbal legte die Hände auf den Tisch. Seine Blicke irrten zwischen den Bechern und Krügen umher; Wasser und Wein schienen ihn mehr zu beschäftigen als die Gesichter der übrigen oder das Thema des Gesprächs.
    »Was wird mit ihm?«
    Memnon suchte die Augen seines Vaters. Antigonos las die Frage und nickte widerstrebend.
    »Er wird das rechte Auge verlieren«, sagte Memnon. »Mit Glück.«
    »Was heißt mit Glück?« Mago stützte die Ellenbogen auf den Tisch und beugte sich vor. Aber er schaute Memnon nicht an.
    »Das heißt, daß er vielleicht auf dem linken Auge nur noch die Hälfte sehen wird. Mit Glück behält er die Sehkraft – links. Rechts ist nichts zu retten.«
    »Er ist unser Kopf«, sagte Hasdrubal der Graue mit belegter Stimme. »Und das Herz der Dreißigtausend da draußen. Was …«
    Niemand sprach, und plötzlich begriff Antigonos, daß sie alle nicht nur bekümmert und besorgt waren. Mago, der einen Ochsen an den Hörnern packen und zu Boden werfen konnte und der sich notfalls allein mit einem Schwert unter Gebrüll auf eine ganze centuria römischer Fußkämpfer stürzen würde – Mago, der weder punische noch römische Götter noch das aufgewühlte Meer noch Stürme fürchtete – Mago hatte Angst, erbärmliche Angst. Nicht um sein eigenes Leben; nicht um das Heer, das er zum Sieg, in den Untergang oder zurück nach Iberien führen müßte. Maharbal, unter den gleichaltrigen Offizieren aus Hamilkars und Hasdrubals des Schönen Ausbildung vielleicht Hannibals engster Freund – Maharbal, der bisweilen die Gedanken des Strategen lesen zu können schien – Maharbal hatte elende Angst. Nicht um sein Leben oder seine Reiter. Hanno, der Sohn des alten Suffeten Bomilkar, fröhlich, erfinderisch, mutig, einer der besten Offiziere, auf die jemals ein Stratege sich hatte stützen können, saß da mit grauem Gesicht, voll abgründiger Angst. Der Libyphöniker Muttines, der den Strategen liebte und anbetete, den Hannibal niemals als Nichtpunier, sondern immer als Freund und guten Offizier behandelte; Hasdrubal der Graue, wortkarg, mit bester Übersicht und einem unglaublichen Gedächtnis, Kenner der hellenischen Philosophen und Taktiker, Meister der Versorgung und des Belagerungswesens, ein Mann, der ohne an sich zu zweifeln oder an der Aufgabe

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