Hanibal
Gelassenheit; sogar bei den Kelten, die trotz ihrer wirren Bewaffnung und ihrer Unbeherrschtheit inzwischen gelernt hatten, die Befehle der punischen Offiziere schnell und genau zu befolgen.
Wieder, wie an der Trebia, überließ Hannibal das Lager dem Hellenen. »Zweitausend Libyer und tausend Iberer, Tiggo; du weißt, worum es geht. Sieh zu, daß die Feuer nicht ausgehen. Es muß aussehen, als ob das ganze Heer hier lagert.«
Kurz nach Mitternacht begann die große Verlegung.
Maharbal und Muttines erhielten zur Abwechslung den Befehl über die Balliaren und die leichten iberischen, keltischen und ligurischen Lanzenkämpfer; sie marschierten sehr leise nach Osten, am Ufer des Sees entlang, und besetzten die Höhenzüge an der Stelle, wo der Uferweg anstieg und zur Ebene jenseits der Hügel führte. Mago, Himilko, Hannibal Monomachos und Hasdrubal der Graue hatten eine kürzere Strecke zurückzulegen; mit den keltischen Fußkämpfern gingen sie in den Hügeln nördlich des Sees in Stellung. Bei ihnen, befehligt von Qarthalo und Bonqart, die keltischen Reiter und ein Teil der Numider. Mit den übrigen Numidern, den iberischen Kataphrakten sowie den restlichen libyschen und iberischen Hopliten zog Hannibal hinter den Hügeln entlang zurück nach Westen, fast bis zum Paß, aber weiter nördlich.
Im Morgengrauen lag die weite Fläche des Sees unter einer dichten Dunstschicht. Antigonos ließ die Feuer wieder anfachen und bemühte sich, mehr von der Umgebung zu erkennen. Als es heller wurde, begriff er Hannibals Plan. Es war die vollkommene Falle, aus der nur eines die Römer retten konnte: gar nicht erst hineinzugehen. Aber auf Flammius war Verlaß.
Nach kurzem Geplänkel räumte die punische Nachhut den Paß und flüchtete nach Osten, zwischen See und Bergen, zum Lager und daran vorbei. Flaminius ließ nachsetzen; er wollte den Gegner, so kurz nach Morgengrauen und bei weithin sichtbar lodernden Lagerfeuern, beim Frühstück überraschen.
Der Weg – man konnte ihn beim besten Willen nicht als Straße bezeichnen – wurde immer enger. Im Süden der Trasimenische See, mit verschilftem Ufer und einem sumpfigen Landstreifen; dann der Weg; dann die Hügel.
Die flüchtenden Kämpfer der ehemaligen Nachhut erreichten den Engpaß im Osten, wo der Weg anstieg; kaum hundert oder zweihundert Schritt vor der römischen Vorhut rannten sie in die Enge, versickerten zwischen Gestrüpp und braungrauem Gestein. Dann stockte das schnelle Nachsetzen der Legionäre; von irgendwo flogen Steine, Pfeile, Speere.
Die Leichtbewaffneten, für den Paß und die engen felsigen Pfade bestens geeignet, sperrten den Ausgang. Inzwischen hatten sämtliche Römer das Seeufer erreicht; Antigonos preßte die Hände an die Ohren, als die Welt unterging in Lärm und Chaos.
Es begann wie mit einem ungeheuren sichtbaren Gongschlag: Die Sonne löste den Dunst über dem See und tauchte alles in zerfaserndes rötliches Milchlicht. Auf den Hügeln blinkten die Waffen und Feldzeichen der bisher verborgenen Truppen; gleichzeitig jaulten und gellten sämtliche punischen Signalhörner auf, mischten sich mit dem scheppernden Schrillen der römischen Trompeten. Im Westen, unterhalb des Passes, brachen Hannibals Kataphrakten über die römische Nachhut herein, gefolgt von den schweren libyschen und iberischen Fußkämpfern. Die Numider von Hannibals Gruppe besetzten den Paß – als letzte Eingreiftruppe, aber auch zur Sicherung; niemand wußte genau, wo die Truppen des anderen Konsuls inzwischen sein mochten.
Das Lager war über Nacht mit Blöcken, Pfosten, Palisaden und Erdhaufen befestigt worden; Antigonos’ Libyer und Iberer hatten kaum Mühe, es gegen die Römer zu halten, die sich einen steilen steinigen Hang hinaufkämpfen mußten. Aus dem nächsten Hügelabschnitt weiter östlich stürmten mit entsetzlichem Gebrüll und blitzenden klirrenden Waffen die Kelten. Es waren viele Insubrer unter ihnen, die sich noch zu gut an Flaminius erinnerten, an das Gemetzel vor fast sechs Jahren, an die unzähligen hingeschlachteten Kinder, Frauen und Greise.
Als die Kelten, ihre Reiter und die von Himilko geführten Numider in die römischen Reihen krachten, glaubte Antigonos , die Erde wanke. Er war wohl der einzige, der – ohne seinen Sinnen zu trauen – das kräftige Beben spürte, das in weitem Umkreis Dörfer zerstörte.
Die Falle war zugeschnappt. Zwischen See und Sumpf auf der einen Seite, Bergen auf der anderen, einem besetzten Paß im Rücken und einem
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