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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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und gut«, sagte Mago; er gähnte. »Aber wohin führt uns das?«
    »Der Konsul ist ehrgeizig und eitel, rechthaberisch und ohne jeden Witz. Er will alles sich selbst verdanken und gerät in Wut, sobald er das Gefühl hat, man nimmt ihn nicht ernst.« Hannibal lächelte wieder dieses unangenehme Lächeln mit halb gebleckten Zähnen. »Wir werden ihn gründlich kitzeln und nicht daran denken, ihn auch nur halbwegs ernstzunehmen.«
     
    In viertägigem Marsch erreichte der Heerwurm die Gegend um Arretium, fraß die Felder und Äcker leer, verwüstete römische Landgüter und die Böden der noch treu zu Rom stehenden etruskischen Städte und Stämme. Das Heer des anderen Konsuls hatte Ariminum verlassen und kam in Eilmärschen über die Via Flaminia nach Süden. Flaminius, überzeugt von der eigenen Feldherrnkunst, erwartete die Verstärkung wahrscheinlich mit gemischten Gefühlen; er wollte, so nahm man in Hannibals Stab an, den alleinigen Triumph. Hannibal, Antigonos und Sosylos heckten gemeinsam, den Charakter des Konsuls bedenkend, einen barbarischen, unsauberen, unvollständigen Vers in barbarischem Latein aus, wobei sie lachten, bis die Bäuche schmerzten. Nach allen Gepflogenheiten der Kriegsführung mußte Gaius Flaminius damit rechnen, daß der näherziehende Gegner ihm bei Arretium die Schlacht anbot. Aber Hannibal ließ sein Heer kaum drei Marschstunden westlich der Stadt vorbeiziehen, immer nach Süden. Numidische Aufklärer unter Maharbal fingen einige Dutzend römische Reiter, befragten sie und ließen sie dann frei – mit einer versiegelten Botschaft an den Konsul. Sie enthielt den gleichen Text wie fast hundert Stück Papyros, die die Reiter offen in die Hände gedrückt bekamen. Maharbal berichtete, sie seien brüllend und wiehernd davongeritten und würden die Sache zweifellos im römischen Heer verbreiten.
    »Hoffentlich fangen sie ein paar Eselinnen ein«, sagte Hannibal.
    Der scheußliche Text, den er mit den beiden anderen ausgetüftelt hatte, bezog sich auf des Konsuls Selbsteinschätzung; er hatte sich in Rom mehrfach eines durchdringenden und fruchtbaren Geistes sowie vorbildlich tugendhaften Lebenswandels bezichtigt. Die Holperverse lauteten:
     
    FERTILITER CAIVM PENETRARE ASINA PVTAT EXINDE FLAMINII CACAT SEMINEM.
     
    »Die Eselin befindet, Gaius sei auf fruchtbare Weise durchdringend; dann scheißt sie des Flaminius Samen aus«, sagte Antigonos.
    Der numidische Scharführer Miqipsa, der den Römern die Blätter übergeben hatte, schüttelte sich vor Lachen. »Und? Ist das gut auf Latein?«
    »Vollkommen scheußlich – aber man weiß nicht, ob nicht der Konsul vor allem aus dem zweiten Vers, der unvollständig herumhinkt, eine zusätzliche Beleidigung herausliest. Von wegen, nicht mal das macht er richtig. Oder so.«
    Die Felder der Römer und ihrer Bundesgenossen geplündert , Flaminius hätte sie schützen sollen; der schlachtbereite, ja schlachtgierige und ruhmsüchtige Konsul schnöde mißachtet vom weiterziehenden Hannibal; dazu holpriger Hohn in Versen, die von den Legionären begeistert wiederholt wurden: Gaius Flaminius wartete nicht auf den anderen Konsul, sondern ließ sein Heer aufbrechen und zog eilig hinter den Puniern her.
    Aus Gründen, die zunächst niemand kannte, ließ Hannibal seine Leute langsamer marschieren, dann wieder schneller. Immer nach Süden, Richtung Clusium und Rom – aber am Abend des vierten Tags nach dem Mißachten des Konsuls und nach ausgiebiger Plünderung des Gebiets westlich von Cortona schwenkte Hannibals Heer nach Osten, zog durch einen Paß in den Bergen am Trasimenischen See und lagerte auf einer Höhe am Nordufer des Sees. Eine kleine Nachhut hielt den Paß; die Römer verbrachten die Nacht westlich der Berge.
    Nach Einbruch der Dunkelheit meldeten Reiter der Nachhut, römische Sicherungstrupps seien bis in Paßnähe vorgerückt und hätten Beobachter auf höhergelegene Vorsprünge geschickt. Von dort seien die Feuer des punischen Lagers gut zu sehen.
    Antigonos zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß der Morgen ein Blutbad bringen würde. Und daß Hannibal die Möglichkeiten des Orts spätestens im Winterlager am Padus geprüft und erwogen hatte. Es gab keine Offiziersbesprechung; diesmal erteilte Hannibal lediglich Befehle, aber auch ohne Besprechung wußten alle, was der Preis war und was er möglicherweise kosten würde.
    Später in der Nacht änderte Antigonos seine Einschätzung. Was er für bedrückte Ruhe gehalten hatte, war ruhige

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