Hanibal
belagern. Diese ließ er durch einen Hinterhalt angreifen, tötete zweitausend und nahm eintausendzweihundert gefangen. Zwischen beiden feindlichen Lagern war ein bewachsener Hügel, der von keinem in Besitz genommen war. Hannibal versteckte einige Mannschaft in dem Gehölze. Marcellus und Crispinus wollten die Gegend besehen, ob sie nicht dem Feinde näher kommen könnten; unvermutet wurden sie, da sie sich zu weit wagten, mit ihrem Gefolge von ihrem Lager abgeschnitten. Gleich im Anfange des Treffens wurde Marcellus mit einer Lanze durchstochen und fiel vom Pferde. Crispinus und Marcellus’ Sohn flohen verwundet. Die übrigen wurden niedergehauen oder gefangengenommen. Hannibal besetzte sogleich den Hügel. Aber Crispinus zog sich zurück. Der Carthaginienser ließ den Marcellus ehrenvoll bestatten und richtete hierauf seinen Marsch nach Locri, welches von Cincius, der aus Sicilien herübergekommen war, belagert wurde. Dieser hob bei Herannäherung des Feindes sogleich die Belagerung auf.
Beobachtung des Gegners, Verhandlungen mit Städten endeten nicht einmal im Winter. Die Libyer und Numider hüllten sich in wärmere Gewänder; eine Gruppe illyrischer Schwertkämpfer, eben erst übers Meer aus den Bergen weit im Nordosten angekommen, lief fast nackt herum, bis auf Schurz und die ewigen halbheiligen Wieselfellmützen.
Das Hauptlager befand sich vielleicht hundert Stadien oberhalb von Metapontion. Mittelpunkt war ein befestigtes Dorf auf einem Hügel am Bradanus; der Fluß bildete die Grenze zwischen Lukanien und Apulien. Etwa hundert Stadien jenseits des Bradanus verlief die südlichste Verlängerung der Via Appia, die Rom mit Taras / Tarentum und Brundusium verband. Auch die wichtigsten Straßen durch Lukanien nach Bruttium ließen sich von hier aus erreichen.
Es gab viele neue Gruppen und Gesichter. Und viele traurige Lücken. Muttines’ Verrat und Tod lagen zwei Jahre zurück; seither waren auch Maharbal und Hasdrubal der Graue in Gefechten mit den Römern gefallen. Hanno, der Sohn des alten Bomilkar, trotz einiger verlorener Kämpfe Hannibals bester zweiter Mann, leitete das auf zahlreiche Festungen und Lager verteilte halbe Heer in Bruttium. An der Gesamtstärke hatte sich wenig geändert, wohl aber an der Zusammensetzung. Am Tag der Wintersonnenwende tranken Hannibal, Antigonos, Sosylos und der Reiterführer Bonqart Wein auf einer Terrasse über dem Fluß. Unter ihnen, auf einem flachen Uferstreifen, führten mit Stöcken und Holzschilden bewaffnete, grauhaarige Kelten vor, wie eine Staffelung römischer principes gespalten und zersplittert werden konnte. Die Gegner bei der Übung waren bruttische Bauernsöhne, angeworbene Lukanier, Kampaner, ein paar Italioten aus Metapontion und der Gegend um Sybaris; an die dreihundert Kämpfer sahen zu, belehrt von einem punischen Offizier. Unter den Zuschauern waren wenige Libyer, kein Iberer, ein paar Gätulier und Balliaren; außerdem etliche Haartrachten, Bekleidungen und Hautbemalungen, die Antigonos nicht benennen konnte.
»Sikelioten«, sagte Bonqart. »Wollen lieber mit Hannibal sterben als unter einem römischen Provinzverwalter leben. Sardonier. Söhne liparischer Fischer. Ligurer. Illyrer. Epeiroten. Kreter. Achaier. Wir haben sogar ein Dutzend Parther – frag mich nicht, wie die hergekommen sind; irgendwann waren sie da und wollten für den größten Strategen kämpfen.«
Der Stratege saß still da, mit geschlossenem Auge, zupfte an der roten Klappe über dem anderen, trank, setzte den Becher ab, legte den Hinterkopf an die Wand des Hauses.
»Und ein paar Thraker.« Sosylos grinste schwach. »Dazu liebe Landsleute – Lakedaimonier. Bithynier. Kappadokier. Akarnanier und Leute von Kephallonia. Athener, Euboier, Paphlagonier, Armenier, Pontiner, Ägypter, Makedonen, Kyprer, Chaldäer, Gedrosier, Syrer, Araber. Hab ich was vergessen?«
»Dreißig keltische Stämme«, sagte Hannibal, ohne seine Haltung zu verändern. »Fünf numidische Völker. Libyer aus zwanzig Stämmen und Städten. Samniten, Latiner, Sabiner, Etrusker. Fünfundfünfzig iberische Völker. Ach ja, ein paar Punier sind auch dabei.«
»Fast genau zehn Jahre ist es her, seit ich in Eis, Schnee und Kot dein Lager an der Trebia aufgeräumt habe, Stratege. Hier ist es wärmer als im Norden.«
Bonqart betrachtete den Hellenen fast versonnen. »Zehn Jahre? Eher tausend, Herr der Sandbank. Du hast dich kaum verändert seitdem.«
»Ich war damals schon alt. Zwischen fünfzig und sechzig
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