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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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den Numidern hatten entkommen können.
    »Ich weiß es nicht. Soll ich euch mitnehmen und wieder in Pylos absetzen? Es wird eng, aber…«
    Iolaos runzelte die Stirn. »Es gibt doch sicher Verwendung für gute Bogenschützen. Hier, in Karchedon, in einer der anderen Städte.«
    Der Berittene hielt neben uns und sprang ab; ein großer, hagerer Punier mittleren Alters. Er war der Besitzer des Guts und dankte für unser Eingreifen. Er stellte keine Fragen; in dieser Lage wäre es unhöflich gewesen. Aber es war zu sehen, daß die Neugier in ihm nagte.
    »Karchedon?« Er winkte ab, als ich ihn um Rat fragte. Dabei musterte er die vierundzwanzig Kappadokier. »Karchedon hat keinen Bedarf an Kriegern.« Er lachte auf. »Bedarf ist gut – aber es wird nicht gehen.« Sein Hellenisch war sauber, wenn auch nicht ohne Akzent.
    »Wir wissen, daß die Hände gebunden sind«, sagte ich auf Punisch; sein Gesicht erhellte sich. »Qart Hadasht ist nicht mehr, was es war. Aber wie steht es mit Ityke oder Hipu?«
    Er überlegte lange. »Ityke, am besten«, sagte er schließlich zögernd. »Aber« – er ging wieder zur Koine über – »ich will euch gern über Nacht bei mir unterbringen. Dann können wir alles bereden. Es gibt hier viele junge Witwen; und manche Bogenschützen, habe ich gehört, können auch Land bebauen.«
    Iolaos zwinkerte. »Witwen? Nun ja, man wird sehen.«
    Ich stand auf. »Ihr wollt also zunächst bleiben? Gut. Ich danke euch noch einmal.« Ich löste den Beutel vom Gürtel und warf ihn Iolaos zu; es klirrte, als er ihn auffing. Die Männer grinsten und knurrten beifällig.
    Im Dunkel legten wir ab. Bostars Leichnam war in weißes Tuch gehüllt und mit Seilen umwickelt; ein Ankerstein, den Stricke mit seinen Füßen verbanden, würde meinen alten Freund auf den Boden des Meeres bringen.
    Bomilkar übergab das Seitenruder dem Steuermann und trat zu mir. Ich lehnte an der Tür zum Heckraum. Die Matrosen hatten die Lotleine eingeholt; sie saßen hinter der Bugverkleidung und aßen. Einer summte mit vollem Mund eine scheußliche Melodie, wenn es nicht nur zusammenhanglose Töne waren. Die Nacht war mondlos; alle Sterne, die Bomilkar zur Orientierung brauchte, waren gut zu sehen. Das Segel stand ein wenig schräg; der kräftige Landwind aus dem Südwesten füllte es und trieb uns nach Osten.
    »Wohin?«
    »Alexandreia.«
    »Und dann?«
    Ich räusperte mich. »Athen; danach Bithynien.«
    »Ach du liebe… Was willst du denn da?« Bomilkar sah mich von der Seite an.
    Ich grinste. »Jemanden besuchen.« Ich deutete auf Bostars Leichnam, der mittschiffs auf mehreren Packen und Ballen lag.
    »Wann willst du es tun?«
    Bomilkar gab keine Antwort. Langsam ging er nach vorn und setzte sich neben seinen toten Vater.
     
    »Antigonos aus Kalchedon?« Die Stimme war voll und weich, dabei irgendwie angstvoll.
    Ich blickte vom Tisch hoch. Die junge Frau stand barfuß auf dem Steinboden der Lagerhalle; der Arbeiter, der sie zu mir geführt hatte, blickte fragend. Ich entließ ihn mit einer Handbewegung; er verschwand zwischen den Säcken und Ballen.
    Sie mochte sechzehn oder siebzehn Jahre alt sein. Ihr Chiton war ausgefranst und schmutzig. Oberarme und Schultern – soweit sichtbar waren übersät von blauen Flecken. Auch über einem der Backenknochen war die sahnige Haut blutunterlaufen, und in den schwarzen Augen steckte Schmerz.
    »Nicht Kalchedon«, sagte ich. »Karchedon.«
    Sie zögerte. »Du siehst aber nicht aus wie ein Punier, Herr; und diese Botschaft ist Hellenisch.«
    »Ich bin Punier und Hellene. Gib her.« Ich streckte die Hand aus.
    Fast widerstrebend reichte sie mir ein Stück Pergament, zusammengerollt und mit einem schwarzen Wollfaden umwickelt. Ich nahm das kleine Messer vom Tisch, zerschnitt den Faden und las. Baals Gnade durch Tanit von Gadir. Ich lächelte.
    »Du verstehst das, Herr?«
    »Ja, ich verstehe das.« Ich blickte sie nachdenklich an; Freude über das bevorstehende Wiedersehen mischte sich mit Mißtrauen dieser geprügelten Sklavin gegenüber. »Wer hat es dir gegeben?«
    »Ein Mann hat es dem Hafenmeister gegeben, meinem Herrn, und mein Herr mir.«
    »Woher weißt du, daß die Botschaft Hellenisch ist und daß man sie nicht leicht versteht?«
    Sie hob die Achseln; das leichte Lächeln blieb um ihren Mund, reichte aber nicht bis zu den dunklen Augen. »Der Hafenmeister hat es gelesen und etwas geknurrt. Dann hat er es mir gegeben, ohne den Faden wieder darum zu wickeln.«
    »Du kannst also

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