Hanibal
Mittel vorstrecke, wenigstens im Inneren der Stadt für Sicherheit zu sorgen.« Bostar kicherte. »Dann sind ein paar von Hannos Leuten aufgesprungen, von wegen, so geht das ja nicht, darüber muß ein Ratsbeschluß gefällt werden, und es sind nicht genug Ratsherren anwesend. Daraufhin hat er gesagt: ›Ihr braucht euch nicht um einen Ratsbeschluß zu bemühen. Das ist eine Entscheidung des Strategen. Wenn ihr nicht wollt, daß er sich um die Sicherheit von Qart Hadasht kümmert, müßt ihr ihn eben absetzen. An eurer Stelle würde ich damit aber warten, bis die Römer wirklich abgezogen sind.‹«
Auf der Agora standen dreißig Kreuze; an ihnen hingen Plünderer, Mörder, Messerstecher, Vergewaltiger. Kurz nach Mitternacht waren zahllose Streifen aus den Mauerunterkünften ausgerückt, jeweils zehn Kämpfer mit einem punischen Führer. Nach und nach kehrte Ruhe in die Stadt zurück. Und immer mehr Penteren, Tetreren und Trieren kamen in die Bucht und in den Kriegshafen, bis er sie nicht mehr fassen konnte; danach lagen sie an der Außenmole oder ankerten vor der »Zunge«.
Als Antigonos Hannibal besuchen wollte, war der Stratege verschwunden. Salambua, noch aufgedunsener und noch zänkischer, konnte nichts Genaues sagen. Auch in den Truppenunterkünften an der Isthmos-Mauer war er nicht zu finden. Immerhin stieß Antigonos dort auf einen alten Freund, Hannibals Unterstrategen Bonqart.
»Er kümmert sich um dies und jenes«, sagte der Punier mit einem Zwinkern. »Ich weiß es nicht, Tiggo, aber ich glaube, er ist draußen.«
»Was macht er denn da?«
Bonqart hob die Schultern. »Mit Kundschaftern reden, Leute sammeln, was sonst? Und alles in Verkleidung, unter Scipios Nase.«
Das Frühjahr kam, und mit dem Frühjahr der Vollzug des grausigen Friedens. Tausende drängten sich auf der Mauer an der Bucht, auf den Dächern der Häuser und den freien Stellen der Byrsa. Fassungslos zählte Antigonos wieder und wieder die Schiffe, die aus allen Teilen des Meers zusammengekommen und von den Römern zusammengebunden waren. Aus diesem punischen Hafen fünf, aus jenem zehn, dreißig von jenseits der Säulen des Melqart, so viele hierher, noch mehr von dort… Rom, die stärkste Macht der Oikumene, hatte während des ganzen Kriegs das Meer beherrscht; Roms Flotte bestand aus zweihundertvierzig Kampfschiffen.
Da gingen sie in Flammen auf, die Schiffe von Qart Hadasht, der Stadt, deren Seeleute sechshundert Jahre lang das Meer und den Okeanos befahren hatten. Zehn Trieren lagen im Kriegshafen; auf der Reede stiegen Rauchwolken auf, Flammen schlugen empor. Sie brannten, die ungenutzten Waffen, vergeudet wie alles andere – zweiundzwanzig klobige Tetreren, siebenundsechzig Trieren, vierhundertelf Penteren: Fünfhundert Schlachtschiffe, mehr als doppelt soviel wie alles, was Rom je aufgeboten hatte. Kein Wind verteilte den Rauch. Der Himmel über der Stadt wurde schwarz. Viele auf den Mauern husteten und würgten, bis ihnen die Tränen vergingen.
Vor dem Abzug seiner Truppen machte Publius Cornelius Scipio seinen massylischen Verbündeten Masinissa zum König über das gesamte Reich der Masaesyler und anderer Numidervölker. Syphax wurde nach Rom gebracht, wo er in der Haft starb. Scipio erhielt einen Triumph; fortan nannte man ihn Africanus.
Hannibal war während dieser ganzen Zeit unauffindbar. Es mochte sein, daß er verschwunden bleiben wollte, damit kein Römer im letzten Moment noch seine Auslieferung fordern konnte; Gerüchte sagten, er habe sich zu Masinissa begeben, um mit dem nun mächtigsten Mann Libyens zu verhandeln.
Wenige Tage nach dem Abzug der letzten römischen Truppen erhielt Antigonos einen Brief seines alten, so lange nicht gesehenen Freundes Daniel. Der Jude verwaltete immer noch die Barkas-Güter in der Byssatis, im Hinterland zwischen Thapsos und Acholla. Der Sohn des Hausherren sei mit ein paar Freunden dagewesen, schrieb der vorsichtige Daniel; inzwischen seien sie weitergeritten, um die Kanäle und vor allem den Graben zu überprüfen.
Bald kamen genauere Berichte. Der Stratege sammelte versprengte Überlebende seines alten Heers und beschränkte sich nicht darauf, den Punischen Graben zu überprüfen und die Grenze zu sichern. Numidische Plünderer – manche sagten: Streifen des Königs Masinissa – zogen durchs Land; an mehreren Stellen kam es zu libyschen Aufständen. In den Bergen nahe der Karawanenstraßen bildeten sich ganze Heere von Wegelagerern. Im Sommer erreichte die erste
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