Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
gleichsetzten, und die ebenfalls gütige Mutter Tanit den düsteren Baal verdrängt hatten. Selbst der heilende Eshmun und ägyptisch beeinflußte Zwittergötzen wie Reshef waren längst wichtiger. Nur an besonderen Tagen oder bei sehr gewichtigen Ereignissen begaben sich Ratsabordnungen noch in den Baal-Tempel, dessen Betreten den unmittelbaren Nachbarn, den Metöken, streng verboten war. Als ob einer von ihnen ihn je hätte betreten wollen. Antigonos stellte ihn sich als Quell der Schwärze vor, Hort des Bösen, wo düstere alte Männer mit gräßlichen Gewohnheiten und furchtbarer Macht eine wallende Finsternis hegten, die nur dank der starken Ummauerung nicht die Stadt überschwappte.
    Die Große Straße war belebt, wie immer. Karren und Träger zogen zu jeder Tageszeit zwischen dem großen Markt vor dem Tynes-Tor und den kleineren Märkten innerhalb der Stadt hin und her. Wasserverkäufer trieben ihre mit Ziegenbälgen oder großen Amphoren beladenen Esel zu den besten Stellen; um die Zisternen drängten sich Frauen und Sklaven aus den Häusern und Knechte der Garküchen, die nicht alle eigene Brunnen oder Zisternen hatten und mehr Wasser brauchten, als die Männer mit ihren Eseln liefern konnten. Ein punischer Offizier mit wehendem roten Umhang und Bronzehelm kam von Westen, auf einem Wagen; ihm folgte im Laufschritt eine Gruppe iberischer Söldner mit Lederstiefeln und roter Tunika unter dem Brustpanzer. Das Klirren der kurzen Schwerter in ihren Eisengehängen drang nur selten durch das rhythmische Grölen, das eine Art Lied darzustellen schien.
    Vor dem Laden eines hellenischen Buchverkäufers drängte sich eine Menschentraube. Der Händler gestikulierte wild und versuchte, eine kreischende Frau zu beruhigen und von dem Tisch fortzubringen, auf dem er, vor dem Geschäft, einige besondere Rollen ausgebreitet hatte. Sie wehrte ihn mit der Linken ab und fuchtelte mit dem rechten Arm; Blut troff aus einer Schnittwunde auf die entrollte Dichtung. Eine grellgeschminkte Hetäre; was sie kreischte, war nicht zu verstehen, aber es richtete sich gegen einen Mann, den die Menschentraube festhielt. Plötzlich riß die Frau sich von dem Buchhändler los, machte ein paar Schritte zur Seite, zur Auslage eines Obstverkäufers, und griff in die Kästen. Melonen, Granatäpfel und Pflaumen flogen, beidhändig geworfen, trotz der Wunde. Zwei kräftige Punier der Unterschicht packten den bekreischten und beworfenen Mann, der sich immer wieder zu verdrücken suchte, schoben ihn vor und hielten ihn aufrecht, so daß er ein gutes Ziel abgab. In das Gekreisch und Gejohle drängte sich der Obstverkäufer, aber sein Zetern war nur zu sehen – was aus dem offenen Mund kam, ging unter im Lärm der anderen.
    Aus einer Nebenstraße bog ein turmhoch mit Fellen beladener Karren, gezogen von einem Ochsen, den wiederum ein Mann zog. Sie kamen aus dem weit nördlich der Großen Straße gelegenen Viertel der Färber und Gerber und stanken entsetzlich. Antigonos wich aus und stolperte über einen blinden Bettler, der an eine Krüppelpinie gelehnt halb auf dem Ziegelpflaster saß. Um den Baum gab es vielleicht drei Handbreit dürre Erde.
    Kurz vor dem Tynes-Tor, neben einer Weinbude, entdeckte Antigonos den alten Elymer – Vertrauter aber Sklave –, von dem Hamilkar sich meistens fahren ließ. Der leichte zweirädrige Wagen stand an der Ecke; der dunkle Hengst kaute an den Blättern einer Topfpflanze. Der Elymer hockte auf einem dicken Stein; er hatte den Zügel um das rechte Handgelenk geschlungen, hielt in der Linken einen Lederbecher und starrte wie gebannt über die Straße in einen Hof, wo junge Sklavinnen mit allerlei Bottichen zugange waren, wuschen und Butter stampften. Sie trugen nur Schurze.
    »Wipp, wipp, wipp. Ah«, sagte der Elymer, als Antigonos ihn an der Schulter berührte. »Der junge Herr Antigonos! Bist du heimgekehrt?«
    »Wie du siehst, Psallo. Wo finde ich Hamilkar?«
    Der Elymer wies mit dem rechten Daumen hinter sich; der Hengst schnaubte, als der Zügel sich spannte. »Irgendwo da hinten. Bei den Elefanten oder Numidern oder Balliaren oder sonstigen Tieren.«
    Antigonos lachte. »Ich will ihn menschlich ablenken. Oder sind Hellenen für dich auch Tiere?«
    Der Elymer, dessen Volk vor Jahrhunderten Sizilien besessen hatte, blickte auf und zwinkerte. Das Netz der Fältchen verzog sich zu einem wirren Gewebe. »Hellenen? Eine Belastung des Erdbodens, junger Freund. Weißt du, wie meine Ahnen sie nannten? Fürze des

Weitere Kostenlose Bücher