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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Bevorratung aufgekauft – sechshunderttausend Menschen wollen ernährt werden. Kassandros’ Schiffe laden inzwischen in einem der Freihäfen syrischen Wein und ägyptischen Papyros und kehren zurück. So etwa, o Phrynichos.
    So wolle mir denn nicht übel ob der Scherze und des unernsten Namens der Bank; erfreue dich des Symbols meines Hauses und seiner Fleischwerdung in Alexandreias Hetären. Und laß mich wissen, ob die Bank des Königs, deren würdigster, klügster und teuerster Mann du bist, der Sandbank die gleichen – oder auch bessere – Bedingungen gewähren mag wie dem alten Geschäft, das mein Vater Aristeides und sein Vater und Großvater betrieben. Förderliches, Gewinn, Lust und Gesundheit allezeit – Antigonos.

2
 
HAMILKAR
    »Die Göttin wird dir gewogen bleiben – was mich betrifft.« Der Priester lächelte kurz und wickelte den Goldfinger im Gewicht einer Mine wieder in den Lederlappen. Er begleitete Antigonos bis ans Ende des heiligen Zypressenhains und verabschiedete ihn mit unverständlichem Segensgemurmel.
    Mittlerer Vormittag. Antigonos blickte über die Stadt, Bucht und See, holte tief Luft und streckte sich. Er hatte lange geschlafen, Obst, Brot und Wasser zu sich genommen und die Weihegaben für Melqart und Tanit – genauer: deren Priester – abgeliefert. Alle anderen Pflichten konnten warten.
    Leise summend ging er bergab. Der Posten am Tor der Mauer, die den Tempelbezirk umgab, ließ ihn unbefragt passieren. Als er aus den engen steilen Straßen zwischen den Stadthäusern der Reichen trat, prallte er beinahe gegen einen Wasserverkäufer, der eben seinen Esel ablud. Antigonos ließ sich aus dem Ziegenbalg einen Strahl frischen Wassers in die Hände schütten, trank, gab dem Mann eine kleine Elektronmünze und ging weiter.
    Die Agora lag fast unbelebt in der herbstlichen Vormittagssonne. Antigonos zögerte, dann betrat er das Ratsgebäude und wandte sich an einen der Diener.
    »Wo finde ich Hamilkar, Sohn des Hannibal, Enkel des Baalyaton, Unterstratege der Reiterei und vor einem Jahr Fünf- Herr für den Flottenbau?«
    Die räumliche und zeitliche Entfernung vom reinen Phönikisch der untergegangenen Mutter Tyros hatte den Namen Abd Melqart, Diener des Melqart, verschwimmen lassen; im Rat, im Gericht der Hundertvier, in den jeweils aus fünf Leuten bestehenden Fachausschüssen, in Heer und Flotte gab es Dutzende Hamilkars.
    Der Diener prüfte eine Liste. »Er ist nicht mehr Fünf-Herr der Flotte; er wurde nach Klumyusa geschickt, Schleuderer anwerben. Ich glaube aber, er ist wieder hier; wahrscheinlich findest du ihn im großen Wall.«
    Ein paar Männer mit lederner Beinkleidung, Wollumhang, Wieselfellmütze und Speer standen neben dem Tor der Byrsamauer. Antigonos musterte sie neugierig, beschloß, es müsse sich um Illyrer handeln, trat in die staubige, quirlende Unterstadt hinaus und ging zurück zur Bank.
    »Willst du noch mehr Gold holen oder bleibst du jetzt hier?« Bostar saß an seinem Arbeitstisch, auf dem Papyrospyramiden drohten.
    »Weder noch. Ich will etwas anderes holen und wieder weg. Ich komme aber heute noch einmal her.« Aus dem Ballen, der das Gold enthielt, nahm er das zusammengerollte Fell, nickte Bostar zu und brach auf.
     
    Die Große Straße erstreckte sich fast siebentausend Schritt vom Hafen im Osten zum Tynes-Tor im Westen. Gleich außerhalb des Hafengeländes, südlich der Straße, hatte einmal der Düstere Ort gelegen, wie die Metöken ihn immer noch nannten, deren Viertel westlich des ummauerten alten Baal- Tempels mit dem tofet begann. Für Antigonos war es eine Art von blindem Punkt, wie für viele andere Bewohner des unteren Stadtteils zwischen der Großen Straße und der südlichen Mauer am See von Tynes. Am Vorabend, nach seiner Heimkehr, war er vom Hafen gleich ins Metökenviertel gegangen, als läge nichts dazwischen – den Düsteren Ort gab es nicht. Die Mauer um den Tempel und die verschütteten Gruben, in denen unter Steinen, Sand und Erde die Reste der geopferten Kinder lagen, hatte einmal die Heiligkeit der Stätte betonen sollen; Antigonos empfand die verwitterte, mit Flechten bewachsene und hier und da von Strauchwerk umstandene Steinbegrenzung nicht als Schutz des Tempels, sondern als Schutz der anderen vor dem Tempel. Er zwang sich, darüber nachzudenken, als er die Große Straße betrat und nach Westen ging. Er glaubte nicht an Götter, war aber zufrieden damit, daß der alte Herr von Tyros, Melqart, den die Hellenen mit Herakles

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