Hanibal
Tablett reichte, mit dem letzten Becher und der Kneterei.
»Zum Dank für große Kunst und zur Stärkung für viele weitere Dinge«, sagte er.
Sie setzte sich auf den Schemel, das Tablett auf den Knien , betrachtete die Gaben und lachte. Dann biß sie die Spitze der Brotskulptur ab, hob den Becher, neigte den Kopf vor Antigonos und trank.
Als er zu seinem Platz zurückging, spürte er die dunklen Augen im Rücken. Während der Pause und im zweiten Teil der Darbietung suchten sie ihn immer wieder.
Unter einer Falte des Ledervorhangs fiel ein Lichtstrahl ins Gemach, malte den Ziegel blaßrot. Antigonos streifte die Decke ab, stand behutsam auf und zog den Vorhang beiseite. Früher Morgen; die Straßen, drei Stockwerke unter dem Gästegeschoß des Hauses, waren still, die Herbstluft frisch, aber noch nicht schneidend. Der leichte Nordwind brachte eine Verheißung von Meer und Ferne. Eine feine Dunstschicht lag über Bucht und Meer; Licht sickerte herab wie durch eine Kristallschale voll vom Saft frischer Zitronen. Die Umrisse der Hügel von Kap Kamart hoben sich über die weißen flachen Dächer.
›Gerade erst zurückgekommen und schon wieder dieses Ziehen in der Brust‹, dachte Antigonos. Er wandte sich zurück in den Raum. Der Duft schwerer Essenzen, der Geruch von ledernem Lager und Wolldecken, von Schweiß und den Dünsten der Liebe vermengten sich mit der Frische und wurden einen Moment schärfer, deutlicher, ehe die Zersetzung begann.
Er blickte zum Bett. Die dunklen Augen waren geöffnet, blinzelten zum Fenster, betrachteten ihn; dann hüllte die Ägypterin sich bis zum Hals in die Decke.
Antigonos hockte sich auf den Rand des Lagers. Das Gesicht, nach drei Stunden Schlaf und ohne Farbstriemen, war weicher , immer noch fesselnd und abstoßend, zugleich aber seltsam zerbrechlich.
»Dies ist über alle Maßen wunderbar«, sagte er halblaut, auf Punisch. »Die Stasis des Loderns« – versonnen, auf Hellenisch. Er beugte sich vor, folgte mit den Fingerspitzen der Narbe über die ganze Stirn, berührte die linke Wange. Sie drehte den Kopf und preßte die Lippen in die Handfläche.
»Die Narbe«, sagte er. Er zwinkerte und wechselte zum Ägyptischen. »Woher, Tochter der uralten Götter, hast du diese Narbe?«
Sie hob die Brauen. Die Stirnrunzeln, mehrfach von der Narbe durchquert, waren drei Kielwasser in Ufernähe, zertrennt von bläulich schillernden Fischen. »Eine böse Geschwulst, die geöffnet und entfernt werden mußte. Wieso sprichst du meine Sprache?«
»Ich habe fast zwei Jahre in Alexandreia verbracht, und die Bewohner von Rhakotis waren mir lieber als die anmaßenden Makedonen.« Er lächelte. »Wir hatten keine Zeit für Worte, in der Nacht. Ich bin Antigonos. Wie heißt du?«
»Isis.« Sie kicherte.
Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich will keine schlechten Scherze machen, über die Heimkehr in den Schoß der Großen Mutter oder derlei, aber es war göttlich.«
Ihre Rechte kam unter der Decke hervor. Der schlanke Zeigefinger strich über seine gerade Nase, die Lippen, den schwarzen Bart, glitt tiefer und spielte mit dem Haar auf seiner Brust. »Wir singen hier noch etwas mehr als einen Mond. Treiben deine Geschäfte, was sie auch sein mögen, dich in dieser Zeit fort?«
»Meine Geschäfte zwingen mich, in Qart Hadasht zu bleiben.«
Sie war das einzige Kind eines Wahrsagers aus Kanopos, am westlichsten Mündungsarm des Nils, Stadt der Laster und Vergnügungen, mit Alexandreia durch einen zehn Meilen langen Kanal verbunden. Ihre Mutter war bei der Geburt gestorben. Isis hatte sich die letzten zehn Jahre – sie war fünfundzwanzig – durch die halbe Oikumene getanzt und gesungen, mit wechselnden Musikern wechselnde Musik gemacht, Sängern gelauscht und Lieder gelernt.
Sie redeten immer noch, als draußen die Stadt längst erwacht war und Stimmen, das Knarren von Wagenrädern, die Schreie der Verkäufer zu ihnen empordrangen. Antigonos zog sich an und küßte die Ägypterin.
»Die Geschäfte«, sagte er.
Sie gähnte, rekelte sich auf dem Lager und schloß die Augen halb. »Stehst du immer so früh auf?«
»Man muß die Zeit nutzen.«
Es war eine gute Zeit, dieser Mond zwischen Herbst und Winter. Antigonos arbeitete hart, um alle Fäden wieder in die Hände zu bekommen. Abgesehen von der Bank und Isis sah er wenige Leute. Hamilkar war mit Daniel in den Süden gereist, um den neuen Verwalter einzuweisen und selbst nach dem Rechten zu sehen. Kassandros führte das alte
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