Hanibal
Einfuhr-Ausfuhr- Geschäft von Aristeides ordentlich, aber ohne große neue Einfalle; Arsinoe und die beiden Kinder waren ins Haus zurückgekehrt, während Argiope bei der Mutter auf dem Land blieb. Die alte Frau wollte nicht mehr nach Qart Hadasht kommen; Antigonos besuchte sie einmal – vier Tage ohne Isis – auf dem Landgut an der Küste, abseits der Straße nach Ityke, wo er erfuhr, daß die sechzehnjährige Argiope sich im Frühjahr mit dem Sohn eines Nachbarn vermählen würde. Bald nach diesem Besuch fand ein zweitägiges Fest statt, Bostars Vermählung mit der Tochter eines wohlhabenden Gemüsebauern, und Antigonos haßte alle Teilnehmenden, weil er wieder zwei Tage und Nächte von Isis getrennt war.
Nach dem Ende der Auftritte blieben Isis und ihre Musiker noch ein paar Tage in Qart Hadasht, bis die Karawane, mit der sie nach Ägypten reisen wollten, bereit war.
In einer der letzten bittersüßen Nächte, die sie in dem Zimmer des Händlerhauses verbrachten, lagen sie aneinandergeklammert im Dunkel. Die Ekstase aus Gier, Sanftheit und Schwermut hatte sich entladen und war zu sanftem Pulsieren geworden. Antigonos fühlte, daß die Wange, die an der seinen lag, feucht wurde. Ohne sich zu bewegen sagte er leise, mit rauher Stimme:
»Ein weißes, geräumiges Haus am Südende der Bucht von Qart Hadasht. Ich kann es kaufen; es steht seit kurzem leer. Der Garten ist groß, mit Gemüse, wildem Wein und Zypressen. Es gibt einen Teich darin, und vor dem Haus ist der Strand, mit einem Bootssteg.«
Aus dem warmen Mund neben seinem Ohr kam ein Seufzen , dann die Antwort, wie aus unendlicher Ferne. »Ein reicher Mond, in dem die Blume Glück höher sproß, als die Hellenengötter thronen. Was du eben sagtest, hat die Knospe zur blendenden Blüte gemacht. Soll man die Blume abschneiden, um sie zu bewahren? In einer weißen geräumigen Vase und ohne Musik wird sie verwelken. Ich kann dir niemals genug danken, aber in einigen Jahren, wenn wir einander dann noch kennen, wirst du mich verstehen.« Ihre Nägel bohrten sich in seinen Rücken, und als sie plötzlich zum uralten Ägyptisch der Riten und Anrufungen überging, war es, als ob etwas Unsichtbares, nicht einmal zu Ahnendes den Raum um Antigonos mit eisiger, furchterregender Anwesenheit füllte.
»O ihr Götter, die ihr Herzen packt und das ganze Herz herausreißt – deren Hände das Herz eines Menschen neu bilden gemäß dem, was er getan hat – habt Erbarmen und vergebet ihm jetzt. Heil euch, ihr Herren der immerwährenden Zeit und Ewigkeit! Reißet mein Herz nicht von mir mit euren Fingern! Denn dies mein Herz ist das Herz des großen Gottes, dessen Worte in seinen Gliedern sind und der freien Lauf läßt seinem Herzen, das in ihm ist. Ich habe ihm die Herzensglut gewähret zur Stunde des Breitgesichtigen Gottes und in Hemen’aw Opferkuchen dargeboten. Möge mir dies mein ganzes Herz nicht entrissen werden. Ich bin es, der es dir anvertraut, und flehe inbrünstig zu deinem ganzen Herzen…« Sie schluchzte und brach ab.
Antigonos schob sie von sich, legte die Hände an ihre Brüste und küßte ihren Nabel. »Warum rufst du die alten Todesgötter an?« flüsterte er. Seine Stimme gehorchte ihm kaum.
Isis lag starr unter ihm, ihr Körper wie ausgeglühte Schlacke.
»Ist denn nicht Abschied wie der Tod?«
An einem späten Nachmittag im Winter, lange nach der Abreise der Karawane, besuchte Hamilkar Antigonos in der Bank. Es gab Geschäftliches zu bereden, aber der Punier hatte andere Dinge auf dem Herzen. Er wirkte fröhlich – heiterer, als Antigonos ihn je gesehen hatte.
»Eine schlechte und zwei gute Neuigkeiten, o mein Freund.
Welche möchtest du zuerst hören?«
»Zuerst die schlechte, dann die bessere, dann die beste.« Antigonos lächelte und goß Wein in zwei Becher.
Hamilkar wartete, bis sie den ersten Schluck getrunken hatten. »Wie du willst«, sagte er dann. Sein Gesicht verdüsterte sich einen Moment. »Heute früh ist ein Kurierboot von Adherbal gekommen, mit Nachrichten und einem Brief aus Rom an Marcus Atilius Regulus.«
»Und?«
Hamilkar verzog den Mund. »Diese Wahnsinnigen«, sagte er leise. »Wir haben ihre Flotten versenkt und ihren Vormarsch auf Sizilien zum Stehen gebracht. Sie haben Hunger, viele Römer sind gefallen und ertrunken, und wir haben ihnen ein großes Angebot gemacht. Friede; Rückkehr zu den Grenzen des Kriegsanfangs; Anerkennung der römischen Hoheit über das östliche Sizilien; Lieferung von Weizen und
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