Hanibal
Ägypten alles dem König gehört und jedes Gewerbe nur mit königlicher Erlaubnis und königlicher Beteiligung ausgeübt werden darf.
Als seine Geschäfte gewaltige Ausmaße annahmen, ebenso der Gewinn für die königliche Kasse, beschloß Lysandros, sich dem Blutegel zu entziehen. In einer Herbstnacht verließ er Alexandreia, fuhr nach Rhodos, von dort nach Kreta, Kythera und Naxos, bis er schließlich auf Delos gute Bedingungen für seine Arbeit fand. Daß er von dort nichts zu uns ausführen durfte, störte ihn kaum, denn in Athen zahlt man eine halbe Mine Silber und mehr für ein einziges Fläschchen seiner Duftwässer, und er hat nur zwei Hundertstel Zoll zu entrichten – nicht vier Zehntel Königssteuer wie bei uns. Aber nach etlichen guten Jahren kamen zwei Stürme und ein Erdbeben. Ein Sturm versenkte nicht weit von Kap Sounion zahlreiche Schiffe; eines von ihnen trug Lysandros’ Erzeugnisse eines ganzen Jahres, für einen großen Abnehmer und Händler in Athen, ein zweites sollte fast sein gesamtes Gold und Silber nach Epidauros bringen, zur Bank eines Freundes. Der andere Sturm schickte ein Schiff auf den Meeresgrund, das teure, seltene Blüten und Kräuter geladen hatte und nach Delos unterwegs war. Das Beben schließlich war gering, aber Lysandros’ Haus und Werkstätten lagen im betroffenen Teil von Delos.
Nach geziemenden Anfällen von Verzweiflung suchte Lysandros die Dinge wieder in Gang zu bringen. Etwa vor einem Jahr reiste der alte Duftmischer nach Kyrene und von dort über Land zu dem Maken-Stamm, von dem er das mit Gold aufgewogene Silphion bezieht. Aber die letzte Lieferung, im Sturm versunken, war noch nicht völlig bezahlt, und nun sitzt Lysandros in einem gut bewachten Zelt, drei Tagereisen südlich von Philainon, während der Makenfürst darauf wartet, daß einer von Lysandros’ Freunden oder Handelspartnern fünf Talente Gold zahlt – Lösegeld und Schuldentilgung.
Möge es nützen, o Antigonos. Gedeihen und Wohlstand der Sandbank. Und Förderung aller Geschäfte.
3
ISIS
Nach zwanzig Tagen einer Fortbewegung, die der Steuermann Mastanabal Küstenschleicherei nannte, erreichten sie im Scheitel der großen östlichen Bucht die Grenze zwischen Kyrene, Ägypten und dem punischen Herrschaftsbereich: Philainon Bomoi. Vor mehr als zweieinhalb Jahrhunderten hatten hier punische Truppen die Krieger des Dorieus aufgerieben, als der Spartaner nicht mehr mit dem Gebiet um Kyrene zufrieden war, sondern Teile des punischen Libyen erobern wollte.
Der Ort war weniger eine Stadt als ein vorgeschobener Beobachtungsposten, Grenzfestung gegen Kyrene und Ägypten, Durchgangslager für Karawanen. Die Städte östlich von Sabrata, die alten libyphönikischen Gründungen Huejat – für die Hellenen Heoa –, Lepqy, Aspy, Maqom Hadasht, genossen gegen Tribut punischen Schutz und innere Unabhängigkeit; sie erhoben Hafenzölle, durften jedoch Karawanen nicht behelligen. Für Qart Hadasht waren die Grenzgebiete und die Beziehungen zu den nomadischen Maken, Augilen, Garimanten und Nasamonen des Hinterlands zu wichtig, um sie ungeschützt zu lassen, und zu schwierig, um dort unmittelbare Herrschaft auszuüben. Diese freie Grenzgegend endete erst in Sabrata; dort trug die Zollerhebung Qart Hadasht den Gegenwert von zwei Talenten Silber am Tag ein.
Antigonos wollte, gestützt auf einen Brief des neuen Strategen Hamilkar, einen Teil der punischen Besatzung von Philainon in die Steppe führen und den alten Duftmeister Lysandros bei den Maken auslösen, so oder so. Westlich von Qart Hadasht hatte die Sandbank ein Werkstattgelände gekauft , am Ufer des Sees von Tynes. Der Hellene glaubte nicht, daß der alte Duftmischer, der eine großartige Geldanlage werden konnte, lieber in makischer Gefangenschaft bleiben als die guten Bedingungen annehmen würde, die Antigonos zu bieten hatte.
Der punische Befehlshaber der kleinen Festung Philainon gab Antigonos fünfzig numidische Reiter, fünfzig gätulische Bogenschützen und fünfzig iberische Fußkämpfer mit – fast die Hälfte der Garnison von Philainon. Hamilkars Schreiben öffnete alle Tore.
Nach den Herbstregen war die Steppe grün. Im Morgengrauen wateten die Pferde und Fußsoldaten durch ein Meer von Schafen und Rindern. Das Lager, in einer Senke zwischen Hügeln um einen Brunnen angelegt, bestand aus etwa zweihundert Zelten. Einige verschlafene Maken tauchten auf, Gestalten mit wüsten Bärten, in wüstenfarbigen weiten Umhängen, bewaffnet mit Speeren
Weitere Kostenlose Bücher