Hanibal
Ich glaube, wir wissen jetzt, was wir voneinander zu halten haben.«
Antigonos nickte. »Ich erkenne in dir genau jene tierische Finsternis und Grausamkeit, die deine Ahnen in der übrigen Oikumene so verabscheuungswürdig machte. Dumm und sinnlos wie deine Kriegsführung im Hinterland, Schlächter von Libyen.«
Hanno lächelte knapp. »Eine andere Form der Zusammenarbeit mit dir wäre mir vielleicht lieber gewesen; ich fürchte aber, unsere Anliegen sind unvereinbar. Es werden fesselnde Jahre, gegen die ›Neuen‹ und dich. Aber wir sollten die Pfeile im Köcher lassen, Metöke. Du hast recht – jeder kann Meuchelmörder mieten, und warum sollten wir uns das Vergnügen rauben, friedlichere Formen der Auseinandersetzung auszukosten?«
Antigonos hob seinen Dolch auf und steckte ihn in die Scheide. Er neigte den Kopf vor Boshmun, der ihn mit aufgerissenen Augen musterte, bedachte die drei anderen mit einem flüchtigen Blick und wandte sich ab. Einer der Wächter begleitete ihn. Mitten auf dem Weg durch den Park, außer Hörweite von Haus und Tor, murmelte er: »Wohlgetan, Herr.«
Antigonos stolperte durch die Nacht der Byrsa. Alle Kraft hatte ihn verlassen. Er erbrach sich unter einem Baum, und es war, als kröchen Schlangen aus seinem Schlund.
Kurz vor Mitternacht erreichte er irgendwie Hasdrubals Haus in der Nähe der Agora. Vor dem Gebäude, in der Vorhalle und im Hof drängten sich über hundert Bewaffnete. Bei Antigonos’ Anblick stieß der junge Punier einen Ruf der Erleichterung aus und nahm den eisernen Helm ab.
»Das Unternehmen braucht nicht stattzufinden. Ich danke euch, Freunde; geht nach Hause. – Aber du siehst aus wie ein verirrter Leichnam.«
Mit zitternden Händen half Antigonos ihm, die Schnallen des Lederpanzers zu öffnen. Hasdrubal legte das Schwert auf einen Tisch. Er blickte besorgt.
»Was ist geschehen?«
Antigonos schüttelte den Kopf. »Wein.«
Hasdrubal ging voran. Antigonos kannte das große Haus, in dem der junge Punier seine Wohn und Geschäftsräume hatte, aber durch die Schlieren vor seinen Augen wirkte alles fremd.
In dem bequemen Arbeitsraum, den mehrere Öllämpchen aus ägyptischer Keramik erhellten, scheuchte Hasdrubal seine Gefährtin hoch, die auf der breiten Lederliege vor dem Rollenregal eingeschlafen war. Die üppige blaßhäutige Keltin Iona mit dem Feuerhaar rollte die witzige Bildergeschichte zusammen, die sie vor dem Einschlafen gelesen hatte, holte Wasser und Wein, warf Antigonos einen mitleidigen Blick zu und zog sich zurück.
Nach dem dritten Schluck gewannen die Gegenstände im Raum ihre gewohnten Abmessungen und Beziehungen zueinander zurück. Die alten dunklen Truhen waren Truhen, keine aufgehäuften Blutkrusten, das Schwert mitten im Raum wurde wieder zu einer schlanken kuschitischen Skulptur, einer schwarzen Frau aus Ebenholz, die Sessel mit den geschnitzten und elfenbeinbelegten Lehnen waren nicht kauernde Henker, sondern Sitzmöbel.
»So. Besser?«
Antigonos nahm einen weiteren Schluck und begann zu berichten. Hasdrubal lauschte aufmerksam. Er saß auf der anderen Seite des dreibeinigen Tischs, das Kinn auf die rechte Hand gestützt. Die klaren, seltsam grauen Augen gaben Antigonos Halt.
Als Antigonos vom Dolch sprach, klatschte Hasdrubal in die Hände und beugte sich vor. Ein sehr merkwürdiger Ausdruck lag auf dem jungen Gesicht.
»Das hast du gewagt – in Hannos Haus?«
»Ich habe nur mit dem falschen Hals begonnen«, knurrte Antigonos.
Hasdrubal seufzte. »Sie hätten dich halb zerstückelt und morgen früh den Rest gekreuzigt. Und uns hätten sie mit hineingezogen. Ein blutiger Bürgerkrieg. Nein, es ist schon besser so – nicht nur für dich.« Er lächelte flüchtig. »Wir werden sehen müssen, daß wir Hanno auf andere Weise bändigen.«
»Er ist nicht zu bändigen«, sagte Antigonos. »Ich hasse und verabscheue ihn. Aber er ist ein gewaltiger Mann, furchtlos und finster. Er hat nicht einmal gezuckt, als mein Messer vor seiner Kehle war. Ein böser…« Antigonos suchte nach einem passenden Wort.
»Pharao«, sagte Hasdrubal. »Du wirst dich vorsehen müssen. Wir alle werden uns vorsehen müssen.«
Antigonos wiegte den Kopf. »Ich weiß nicht. Wir haben eine Art Waffenstillstand vereinbart, weil beide die gleichen Pfeile im Köcher haben.« Er berichtete vom letzten Gespräch.
Hasdrubal lehnte sich zurück und holte tief Luft. »Du erstaunst mich immer mehr«, sagte er, fast andächtig. »Hanno achtet nur einen Mann, und das ist
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