Hanibal
Gesicht des Puniers war eine Maske.
»Sind das die Forderungen der ›Neuen‹?« sagte Hanno schließlich.
»Nein. Es sind die Überlegungen eines Metöken, denen die ›Neuen‹ vielleicht zustimmen werden, wenn die ›Alten‹ sich nicht der Zukunft verschließen.«
»Du verlangst den Umsturz«, sagte Mula. Seine Mundwinkel zogen sich herab. »Die Entwertung aller Dinge – die Entrechtung der Großen – die Verschneidung der Stadt!«
»Es gibt eine kurze Antwort auf deine Vorschläge«, knurrte Bokhammon. »Das Kreuz.«
Hanno hob die rechte Hand. Die Steine glitzerten. »Ruhe , Freunde. Wir wollen nichts überstürzen. Er ist jetzt hier, aber Hasdrubal erwartet ihn. Und wir wollen doch die Auseinandersetzungen des Friedens nicht mit einer leichtfertigen Tat beginnen, die uns mehr kosten würde, als sie einbringt.« Er legte einen Finger an die Nase. Dann wandte er sich an einen Diener, der wie herbeigewünscht aus dem Gang erschien. »Man soll das Salzwasserbecken vorbereiten. – Antigonos, es war sehr interessant, mit dir zu plaudern. Deine Vorschläge sind, was Mula sagte, und verdienen, was Bokhammon vorschlägt. Sie wären das Ende all dessen, was Qart Hadasht groß gemacht hat. Das Ende all dessen, wofür wir eintreten. Und sie beruhen auf einer falschen Annahme. Rom ist nicht anders als Syrakosai oder Alexandreia, nur im Augenblick ein wenig mächtiger. Auch Rom will Handel und Friede. Und wenn der Friede nur um einen sehr teuren Preis zu haben ist – wir werden zahlen. Kein Preis ist zu hoch für ungestörten Handel und Ruhe im Land.«
Antigonos nickte. Müde sagte er: »Also Friede um jeden Preis – auch um den des eigenen Untergangs?«
Hanno winkte ab und stand auf. »Wer redet von Untergang?
Man wird sich mit Rom einrichten. Aber komm, ich möchte dir und den anderen etwas zeigen.«
Antigonos folgte dem Punier; die anderen vier »Alten« hielten Abstand.
»Ah, etwas hätte ich beinahe vergessen«, sagte Antigonos, als sie einen Gang durchschritten, der zu einer weiteren Galerie führte. »Zieh dein Ohr aus meiner Bank zurück.«
Hanno blickte über die Schulter und grinste. »Und wenn ich es nicht tue?«
»Schneide ich es ab und werfe es dir über die Mauer.«
Hanno blieb stehen, noch immer auf dem Gang. »Das sollte man bedenken«, sagte er langsam. »Es steht in Zusammenhang mit dem, was du gleich sehen wirst. Es kommt immer wieder vor, daß jemand jemandes Mißfallen erregt.«
Antigonos lächelte kalt. »Ein normaler geschäftlicher Vorgang.«
»Den manche gern ausschalten. Die Stadt ist voller Messer, und die Messer können sich auch gegen Verwandte dessen richten, der einem mißfällt. Dein Sohn heißt Memnon, nicht wahr?«
Antigonos hob die Schultern. »Die Stadt ist überhaupt voller Menschen, großer Hanno. Viele Tausende Metöken, zum Beispiel. Wie leicht kann sich einer bei der Zusammensetzung eines Duftwassers irren und Gift hineinmischen? Es gibt gute Taucher im Hafen – wie sollte ich sie davon abhalten, nachts unter Wasser bestimmte Schiffe aufzusuchen und Löcher zu bohren? Wer weiß denn, von welchem Haus, an dem deine Sänfte vorbeigetragen wird, ein Felsbrocken stürzt? Hellenische Kaufleute in Korinthos, Athen, Alexandreia oder Massalia könnten plötzlich beschließen, keine Geschäfte mehr mit dir zu machen. Und welcher Gott soll verhindern, daß ein böser Mensch einem Leibwächter soviel Gold gibt, daß er das Schwert gegen seinen bisherigen Herrn richtet?«
Hanno runzelte die Stirn. »An dem, was du sagst, sind viele Dinge bedenkenswert. Wenn zwei Leute über die gleiche Anzahl von Pfeilen verfügen, sollten sie sie besser gleich im Köcher lassen.«
»So etwa.«
Hanno wandte sich ab und ging zur Galerie. Seine Stimme war leise und überscharf. »Vorläufig Friede zu deinem und meinem Preis, Metöke. Es gibt da aber noch etwas. Dies ist das erste Mal, daß ein bloßer Hellene mich zwingt, ihn als meinesgleichen zu behandeln. Dafür werde ich dich bis an dein Ende hassen. Und ich will dir zwei Dinge zeigen, die dein hellenisches Herz betrüben werden. Aber du wirst erst gehen, wenn du sie zu Ende betrachtet hast.« Er murmelte ein paar Wörter zur Seite.
Antigonos’ Nackenhaare sträubten sich, und sein Herz klopfte. Als er hinter dem Punier auf die Galerie trat, stellten sich zwei von Hannos Leibwachen neben ihm auf; ihre Schwertspitzen berührten sich kurz vor Antigonos’ Kehle. Neben ihnen standen zwei stämmige Punier mit leeren Gesichtern. Sie
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