Hannahs Entscheidung
wieder.« Sam erhob sich aus seinem Sessel und griff nach einem Glas, das auf dem Couchtisch wartete. »Hier ist dein Wasser, Hannah. Bitte trink etwas.«
Sie wickelte sich aus der Decke und nahm dankbar das Getränk entgegen. Sie war durstig und leerte das Glas in einem Zug. Sam nahm es ihr ab, stellte es auf den Tisch zurück und setzte sich zu ihr.
»Geht es dir besser?«
»Warum ist Shane tot, Sam? Was ist geschehen?«
Sam hob hilflos die Schultern. »Ich weiß es nicht.« Er nahm eine von Hannahs kalten Händen in seine und streichelte sie gedankenabwesend. Ein Holzscheit brach krachend auseinander. Funken stoben in die Höhe, tanzten wie kleine Glühwürmchen, ehe sie zurück in die Glut sanken. »Die Polizei vermutet eine Drogenüberdosis als Todesursache. Nach der Obduktion werden wir mehr wissen.«
»Obduktion«, wiederholte sie.
»Normales Prozedere in solch einem Fall. Wie Detective Mills schon sagte, spricht alles für Selbstmord.«
»Selbstmord?« Hannah schüttelte den Kopf. Was für ein entsetzlicher, grauenvoller Gedanke! »Mein Gott, Sam, vielleicht hätte ich ihm helfen müssen. Es war doch offensichtlich, dass es ihm schlecht ging!« Von plötzlichen Schuldgefühlen gepackt biss Hannah auf ihre Unterlippe.
»Du hast dir nichts vorzuwerfen«, versuchte Sam, sie zu beruhigen. »Hast du ihm nicht geraten, sich Hilfe zu suchen? Es lag allein bei ihm, etwas zu tun, um sich aus dem Drogensumpf zu befreien. Vergiss das nicht.«
»Ich weiß nicht, Sam. So einfach ist das nicht.« Sie senkte den Blick, um nicht in seine Augen sehen zu müssen. »Schließlich bin ich noch immer mit ihm verheiratet.« Sie starrte ins Feuer, beobachtete eine Weile die lodernden Flammen. Trotz der Wärme im Zimmer fröstelte sie, und sie bemühte sich vergeblich, ein Gähnen zu unterdrücken. Sie fühlte sich müde, ausgelaugt und entkräftet.
»Ich mache uns einen Kaffee.«
Sie hielt ihn zurück. »Bitte bleib.« Sie brauchte seine Nähe, seinen Halt, seinen Zuspruch. Mehr als Kaffee.
Erneut setzte er sich, nahm ihre Hand in seine. »Sicher nichts Warmes zu trinken? Ich könnte dir auch einen Tee …«
»Nein. Danke.« Sie hielt sich an ihm fest. Das war genug für den Moment. Das tiefe Schlagen der Standuhr ertönte. Es war fast Mitternacht. »Wie geht es Deanna?« Hannah machte eine fahrige Geste. »Ich meine, sie muss sicherlich geschockt sein …«
»Sie weiß es noch nicht. Ich habe ihr ein paar Tage freigegeben. Missy – ihre Tochter – ist krank geworden, und sie wollte gern bei ihr zu Hause bleiben.«
Hannah entfuhr ein leiser Seufzer der Erleichterung. Wie gut, dass Deanna der schreckliche Anblick von Shanes Leiche erspart geblieben war. »Was hatte er auf Green Acres zu suchen, Sam? Warum ist er hier gestorben?«
»So wie es aussieht, hatte er in dem kleinen Wäldchen hinter der Wiese sein Lager aufgeschlagen. Die Spurensicherung hat dort einen Schlafsack, leere Bierdosen, Flaschen und Zigarettenkippen sichergestellt. Außerdem fanden sich Shanes Schuhabdrücke vor und hinter dem Haus. Er muss uns beobachtet haben.«
Um den geeigneten Moment abzuwarten, mich zu schnappen. Sam musste nicht aussprechen, was ihr durch den Kopf ging. »Wie schrecklich. Ich habe davon nichts bemerkt.« Hannah griff sich mit der freien Hand an die Kehle. Fast meinte sie, das kalte Metall der Messerklinge an ihrer Haut zu spüren.
»Es ist vorbei«, sagte Sam sanft. »Shane kann dir nie wieder etwas antun.«
Hannah spürte Tränen aufsteigen. »Er hat viel falsch gemacht. Schlimme Dinge getan. Aber das hat er nicht verdient, Sam. So einen Tod hat er nicht verdient.« Sie ließ ihren Tränen freien Lauf.
Sams Augen verdunkelten sich. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann zog er sie einfach an seine Brust, strich ihr über den Rücken und hielt sie, bis sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte.
»Ich kann nicht glauben, dass er tot ist.« Hannah wischte sich mit dem Handrücken über die tränennassen Wangen.
»Hier.« Sam zauberte ein kleines Stofftaschentuch aus der Gesäßtasche seiner Jeans. »Ich hab’s bisher erst einmal benutzt.«
Seine Worte entlockten ihr ein flüchtiges Lächeln. Herzhaft schnäuzte sie sich ins Taschentuch. »Es ist so traurig, Sam. Die Drogen haben ihn zerstört.«
»Shane hatte es in der Hand, sich zu ändern.«
»Er war zu schwach. Eine andere Frau hätte ihm vielleicht helfen können.«
»Nein. Das denke ich nicht, Hannah. Es mag überheblich klingen, aber ich
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