Hannas Wahrheit (German Edition)
Frauen auf. Gemeinsam gingen sie zurück.
„Wenn Sie noch etwas brauchen, klopfen Sie einfach an die Scheibe.“ Leutnant Brunner zwinkerte ihr zu, bevor sie Hanna Rosenbaum wieder alleine ließ. Hanna unterdrückte das kindische Bedürfnis, ihr die Zunge herauszustrecken.
Sie aß die Brote, trank das Wasser und vertiefte sich in die Zeitung. Irgendwann verlor sie das Zeitgefühl.
„Die letzten Fotos sind von gestern.“
„Und der Chip in der Kamera?“ Major Wahlstrom fragte noch einmal nach, obwohl er und der Techniker das bereits am Anfang geklärt hatten.
„Das waren die Fotos von gestern, der Rest ist alles älter oder es sind leere Chips.“
„Kann es sein, dass sie heute nicht fotografiert hat?“
„Unwahrscheinlich, es gibt nicht einen Tag von ihrer Tour, wo sie keine Fotos geschossen hat.“
Major Wahlstrom legte den Hörer auf. Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen. Er wählte eine Nummer.
„Oberst Hartmann, hier Major Wahlstrom, ich brauche Ihre Freigabe zum Verhör der Fotografin.“
„Wo sind Sie?“
„Q2.“
„Ich komme. Machen Sie die Unterlagen fertig.“
Oberleutnant Schulte, der während der letzten drei Stunden die Aufgabe gehabt hatte, Hanna Rosenbaum zu beobachten, schüttelte leicht den Kopf. Dem Major war es egal, dass sein rangniederer Offizier eine andere Meinung als er vertrat.
Zehn Minuten später trat Oberst Karl Hartmann in den Überwachungsraum für Q2. Er trug Hemd, Anzug und Krawatte, als hätte er einen Bürojob in irgendeinem Unternehmen. Manchmal dachte Major Wahlstrom, dass sich Oberst Karl Hartmann an der Normalität seiner Klamotten festhielt. Seine Karriere hatte ihn erst spät zum Militär geführt. Das kam in ihrer Einheit häufiger vor. Sie alle waren Experten, und jeder besaß seine speziellen Fähigkeiten. Oberst Hartmann war ein ausgezeichneter Analytiker, der sich hervorragend in Wirtschaftsfragen auskannte. Wahlstrom wusste, dass sein Vorgesetzter noch eine fundierte Zusatzausbildung beim BKA erhalten hatte, Spezialgebiet Wirtschaftskriminalität. Das hatte ihm beim Militär einen besonderen Status eingebracht, denn er konnte wie ein Unternehmer in Kosten-Nutzen-Relationen denken, langfristig und auf die Zukunft ausgerichtet. Der Major arbeitete gerne unter dem Kommando von Oberst Hartmann, weil er ihm das Gefühl gab, einen wertvollen Beitrag für die Stabilität des Landes zu leisten.
Major Wahlstrom schob seinem Vorgesetzten die Dokumente zu. Er hatte bereits alle Daten von Hanna Rosenbaum, deren richtiger Vorname Johanna lautete, aus ihren Ausweispapieren in die vorgesehenen Felder eingetragen. Es fehlte lediglich die Unterschrift auf dem Formular „Freigabe der Befragung einer Zivilistin aufgrund einer militärischen Notwendigkeit“. Statt wie üblich die Daten kurz zu überfliegen, um dann auf der letzten Seite seine Unterschrift zu setzen, verharrte Oberst Hartmann und starrte auf die erste Seite.
„Johanna Rosenbaum? Geboren am 11. 05. 1980 in Berlin.“ Er hob den Kopf und sah seinen Untergebenen an. Dieser nahm Haltung an.
„Korrekt, Oberst Hartmann.“
„Wo ist sie?“
„Im Verhörraum.“
Sein Vorgesetzter erhob sich und stellte sich an die Scheibe, um in den Raum zu sehen. Major Wahlstrom versuchte, sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen.
„Bericht.“
„Hanna Rosenbaum und Harald Winter waren mit ihrem Fahrer Ochuko Mutai in dem Dorf, das in Nigeria überfallen worden ist. Wir vermuten, dass es sich bei der Einheit um bezahlte Söldner handelt. Als das Militär von Nigeria bei dem Dorf eintraf, waren bis auf wenige Ausnahmen alle Bewohner bereits tot. Die Angreifer reagierten diszipliniert auf das Eingreifen des Militärs und ordneten den sofortigen Rückzug an. Wir wissen nicht genau, wie viele Männer es waren. Drei haben die Nigerianer erwischt.“
Mit einem Ruck drehte sich der Oberst um. „Wie konnte der Rest entkommen?“
Der Major zuckte mit den Achseln. „Wie gesagt, sie waren verdammt gut ausgerüstet.“
„Weiter.“
„Der Fahrer kam ums Leben, Hanna Rosenbaum und Harald Winter gehören zu den Überlebenden. Wir haben die beiden am Flughafen empfangen. Da Hanna Rosenbaum Fotoreporterin ist, hofften wir darauf, dass sie vielleicht Fotos von dem Angriff gemacht haben könnte.“
„Wieso ein Verhör?“
„Sie rückt die Fotos nicht raus.“
„Wenn sie überhaupt welche hat“, brummte Oberleutnant Mark Schulte. Major Wahlstrom warf ihm einen scharfen Blick zu. Sein Gefühl sagte ihm,
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