Hannas Wahrheit (German Edition)
„Wir brauchen Ihre Papiere.“
Sie holte ihren Ausweis hervor, den sie immer in ihrem Gurt trug, genauso wie ihre Kreditkarte und ein wenig Bargeld in Scheinen. Sie reichte ihren Ausweis dem Major. Der schlug den Ausweis auf, und seine Augen wanderten über die vielen Eintragungen, Stempel und Visa aus allen möglichen Ländern. Stirnrunzelnd verglich er das Passbild mit ihr. Den wenigsten Menschen fielen die Unterschiede auf. In jedem Fall brauchte sie dringend einen neuen Reisepass. Hanna versuchte, ihre Gesichtszüge weicher wirken zu lassen. Schließlich gab er ihr den Ausweis zurück.
„Also gut, Frau Rosenbaum. Eine meiner Aufgaben besteht darin, die Aufnahmen auf Ihrer Kamera zu prüfen. Meine Kollegen in Nigeria waren da etwas nachlässig. Das nigerianische Militär möchte sichergehen, dass Sie keine Bilder haben, die ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, wenn sie veröffentlicht werden. Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, dass dies hier eine Situation ist, für die wir Fingerspitzengefühl benötigen.“
„Nein.“
Stille breitete sich in dem Raum aus. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
„Hanna, bitte“, mahnte Winter und bekam einen dankbaren Blick des Anführers dafür. Der Mann räusperte sich.
„Frau Rosenbaum, ich verspreche Ihnen, dass Sie Ihr Eigentum zurückerhalten, sobald wir alles gesichtet haben, und zwar rechtzeitig vor Ihrem Abflug morgen.“
„Na, da haben Sie sich was vorgenommen“, brummte Harald Winter, „Hanna macht täglich Hunderte von Fotos.“
„Ich denke, es reicht, wenn wir die von heute sichten.“ Er öffnete seine Hand. „Geben Sie mir einfach die Kamera.“
„Nein.“
Sie maßen sich mit Blicken. Die Atmosphäre in dem Raum veränderte sich. Jetzt mischte sich Leutnant Brunner in das Gespräch ein, mit einem freundlichen Lächeln auf ihrem Gesicht wandte sie sich Hanna Rosenbaum zu.
„Frau Rosenbaum, ich weiß, das war heute ziemlich viel Stress für Sie, und wie ich hörte, ist Ihr Fahrer bei dem Überfall ums Leben gekommen. Das ist sicherlich nicht leicht für Sie. Kooperieren Sie mit uns, dann können Sie ganz schnell zurück ins Hotel.“
Hannas Anspannung wich, die Frau war ziemlich gut. Mit ihrer ruhigen Ausstrahlung und dem offenen, hübschen Gesicht wirkte sie längst nicht so bedrohlich auf sie wie ihre Kollegen. Was sie sagte, klang vernünftig. Aber sie gehörte nicht zu den Menschen, die vernünftig waren. Sie handelte immer instinktiv und aus dem Bauch heraus. Sie hatte die Bilder gemacht, weil es nichts Anderes gab, was sie sonst hätte tun können. Es war ihre Hilflosigkeit gewesen, doch mit den Fotos trug sie jetzt eine Verantwortung, die sie nicht leichtfertig abgeben würde.
„Wie ist Ihr Vorname?“
„Celine“, antwortete die Soldatin mit einem entwaffnenden Lächeln.
„Sie haben recht, Celine, es war ein Scheißtag, und ich möchte in mein Hotel. Aber meine Fotos gehören mir, und ich werde Ihnen ganz bestimmt nicht meine Arbeit der letzten Wochen aushändigen und riskieren, dass sie unsachgemäß verwendet werden.“
Das war die längste Rede von Hanna Rosenbaum seit Wochen.
Obwohl sie Major Wahlstrom genau im Auge behielt, sah sie keine Geste, die sie auf den Angriff vorbereitet hätte. Leutnant Richter und Leutnant Brunner packten sie, während der Soldat am Fenster Harald Winter blockierte, der ihr zu Hilfe eilen wollte. Sie spannte ihre Muskeln an.
„Hanna, nicht!“, erklang die scharfe Stimme von Harald Winter. „Verdammt, lassen Sie mich los“, bellte er als nächstes den Soldaten an.
Alles blieb ruhig, niemand rührte sich und weder Leutnant Brunner noch Leutnant Richter lockerten ihren Griff. Trotz unbändiger Wut hörte sie auf, sich zu wehren. Stattdessen versuchte sie den Major, der auf sie zu kam, mit ihrem Blick einzuschüchtern. Das misslang ihr. Der Mann zog die Kamera über ihren Kopf, löste geschickt ihren Hüftgürtel und nahm beides mit zum Schreibtisch.
„Am besten begleiten sie beide Frau Rosenbaum zu Dr. Wilson.“
„Sie können mich wieder loslassen“, fauchte sie die beiden Soldaten an. Der Major nickte kurz, dann erst ließen der Mann und die Frau sie los.
„Hanna, bleib bitte ruhig und vernünftig“, bat Harald Winter sie. „Die Leute hier machen einfach nur ihren Job. Kein Grund für dich, feindselig zu sein oder deine Wut über das, was geschehen ist, an ihnen auszulassen.“
Hanna biss die Zähne zusammen. Sie nickte Harald Winter zu. Mit einem
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