Hannas Wahrheit (German Edition)
Ausstrahlung im geschäftlichen Umfeld genauso geschickt einsetzte. In dieser Hinsicht hatte sie sich viel von ihrem Mann abgeschaut, oder er von ihr.
Er konnte nicht sagen, dass er immun gewesen wäre gegen ihren Charme. Aber er wusste auch, dass sie keinen Blick auf ihn verschwendet hätte, wäre da nicht seine vermeintliche Verbindung zu Hanna. Hanna hingegen schaufelte mit grimmigem Blick die Suppe in sich hinein und hatte offenbar beschlossen, ihn zu ignorieren. Wie ein Igel hatte sie alle ihre Stacheln ausgefahren, das war an ihrer ganzen Haltung zu erkennen. Er setzte sie mit seiner Anwesenheit unter Druck. Seine Gedanken wanderten zurück zu seinem Gespräch mit Lisa, und er ermahnte sich zur Wachsamkeit.
„Also, wen hat deine Schwester mit Mistkerl aus Afrika gemeint. Mich?“, versuchte er Hanna aus ihrer Ignoranz herauszulocken.
Hanna zerrupfte ein Stück Weißbrot, tunkte die einzelnen Stücke in die Suppe und stopfte sie sich in den Mund. Marie musterte sie mit einem halb neugierigen, halb amüsierten Blick.
Hanna funkelte ihn an, schluckte.
„Ja sie meinte dich.“
„Weshalb?“
„Das weißt du genau.“
„Nein, weiß ich nicht.“
„Vielleicht liegt es daran, dass du verheiratet bist und vergessen hast, es Hanna zu sagen, bevor du mit ihr geschlafen hast.“ Marie war es nicht gewohnt, dass sie so wenig Aufmerksamkeit bekam. Ihre Spitze war präzise, nur verfehlte sie vollkommen ihre Wirkung.
Er lachte auf. Ein vergnügtes Glitzern trat in seine Augen. Marie hatte keine Ahnung, wie wenig sie aus dem Leben von Hanna wusste. Er wandte sich ihr zu.
„Ich bin nicht verheiratet. Vermutlich war das ihre Ausrede, damit du aufhörst, in ihrem Privatleben rumzustochern.“
Er konnte den Schock in Maries Augen sehen. Es war offenbar etwas ganz Neues für sie, dass jemand ihr gegenüber kein Blatt vor den Mund nahm. Auch Hanna war zusammengezuckt.
„Stimmt das?“, wandte Marie sich an ihre Schwester.
Statt zu antworten, nickte Hanna ergeben. Sie wusste nicht, wie sie sonst hätte reagieren können. Ben Wahlstrom besaß eine Art, mit einfachen Worten Stücke aus ihrem Innersten nach oben zu befördern, die sie vor anderen, einschließlich ihrer Schwester, verborgen hatte. Es war beängstigend.
Der Kellner kam, räumte die Suppe ab und brachte für alle die Hauptgerichte. Hanna stocherte lustlos in ihrem Essen herum. Ihr war der Appetit gründlich vergangen. Mit wenigen Worten hatte Ben Wahlstrom es geschafft, eine Missstimmung zwischen ihr und Marie aufkommen zu lassen. Auch ihre Schwester stocherte mit gerunzelter Stirn im Essen herum. Er hingegen machte sich mit Appetit über sein Schnitzel her. War es Absicht von Ben Wahlstrom, einen Keil zwischen sie und Marie zu treiben? Oder ging es ihm darum, sie zu provozieren? Was hatte er davon?
„Weißt du, Hanna, wenn du es nicht magst, dass ich mich für deine Beziehungen interessiere, dann kannst du mir das doch einfach sagen. Du brauchst mir keine Lügen aufzutischen.“ Marie klang verletzt. „Ich weiß, dass ich manchmal nervig in solchen Dingen sein kann, aber deshalb können wir doch ehrlich zueinander sein.“
„Sorry“, presste Hanna hervor. Sie fühlte sich schlecht, weil sie Marie enttäuscht hatte.
Er fand es interessant, wie Marie es schaffte, dass sich ihre Schwester schuldig fühlte. Es zeigte ihm einen Charakterzug von Hanna, der ihm bisher verborgen gewesen war. Marie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihm zu.
„Was machst du beruflich, Ben? Oder trete ich dir damit zu nahe?“ Sie hatte ihre Taktik geändert, nun konzentrierte sie sich auf ihn als Informationsquelle.
„Ich bin Berufssoldat.“
„Und in welcher Einheit bist du? Luftwaffe, Marine oder bei den Bodentruppen?“ Er bemerkte den verblüfften Gesichtsausdruck von Hanna über die militärischen Kenntnisse der einzelnen Einheiten der Bundeswehr, die Marie offenbarte.
„Ich bin bei den Bodentruppen und aktuell in Afrika stationiert.“
„In welchem Einsatzgebiet?“
„Ich gehöre zum obersten Stab, der die Koordination der gesamten Einsätze in Afrika bei der UN vornimmt.“
Maries Haltung ihm gegenüber veränderte sich ein weiteres Mal. War sie ihm erst mit Geringschätzung begegnet, so konnte er jetzt doch aufmerksames Interesse feststellen.
„Welchen Rang besetzt du?“
„Ich bin Major.“ Er sah, dass Marie damit nichts anfangen konnte. „Das ist der unterste Rang bei den Stabsoffizieren, und über den Stabsoffizieren gibt es
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