Hannas Wahrheit (German Edition)
konnte.
„Verschwinde aus meinem Leben.“
„Das mache ich, wenn ich habe, was ich will. Übrigens – war es Viktor, der den Trojaner gefunden hat?“
Ihr wurde für einen Moment schlecht. Er kannte Viktor, hatte eine Beziehung zu ihr hergestellt. War Viktor wegen ihr in Gefahr? „Wie lange kennst du ihn?“
Sie biss die Zähne zusammen und schwieg.
Er beugte sich zu ihr vor. „Hanna, dir ist hoffentlich klar, dass du bis zum Hals in der Scheiße steckst. Erst unterschlägst du die Fotos. Dann stellt sich heraus, dass das Dorf ein Projekt von der Sarah Ziegler Stiftung ist, die zufälligerweise zu dem Konzern deines Stiefvaters gehört. Inwieweit dein Freund sich strafbar gemacht hat, indem er in ein Ermittlungsverfahren eingegriffen hat, möchte ich hier mal beiseitelassen.“
„Aber der Trojaner war rechtens?“
„Uns lag die Erlaubnis der Staatsanwaltschaft vor.“
„Ach ja, als Bundeswehr?“
„Stell dir vor, wir arbeiten in solchen Fällen mit der Bundespolizei und dem BKA zusammen.“
„Dann sollen sie Anklage erheben und mich verhaften.“
„Das werden sie, wenn du Dreck am Stecken hast.“
Er konnte sehen, wie es in ihr arbeitete. Sie wirkte wie ein Tier, das man in die Enge getrieben hatte.
Der Kellner stellte ihr einen Apfelstrudel mit Vanillesoße vor die Nase. Ihre Augen lösten sich von ihm. Er beglich die Rechnung und gab dem Kellner ein großzügiges Trinkgeld. Dankbar entschwand er.
Er sah Hanna zu, wie sie langsam ihren Nachtisch aß.
„Lass mich dir helfen, Hanna. Ich weiß, dass dich weder der Tod des Jungen noch der von Ochuko kalt gelassen hat. Wenn du ehrlich bist, möchtest du genauso wie ich, dass die Leute bestraft werden, die dafür verantwortlich sind.“
Er sah, dass seine Worte an ihr abprallten. Er verstand nicht weshalb, denn er hatte den Schmerz in der Nacht in ihren Augen gesehen. Den Hunger nach Leben und die Sehnsucht nach Vergessen. Er entschied, ihr Zeit zu geben. „Gib mir die Kamera, ich möchte die Fotos löschen, die du von mir gemacht hast.“
Sie langte in den Rucksack und reichte ihm wortlos die Kamera. Er sah die letzten Bilder durch, verharrte, legte den Kopf schief. Auf den Bildern sah es tatsächlich so aus, als würde er mit Marie flirten. Dann war da noch etwas anderes, Unbestimmbares, das ihm nicht gefiel. Er warf ihr einen Blick zu, doch sie hatte sich wieder ihrem Nachtisch zugewandt. Entschlossen drückte er die Tasten und löschte die Fotos, auf denen er zu sehen war.
Als er ihr die Kamera zurückgab, war ein Zettel mit seiner Handynummer dabei. „Ruf mich an, wenn du es dir anders überlegst.“
Hanna sah ihm nach, wie er das Restaurant verließ, ohne sich noch einmal nach ihr umzuschauen. Erst als sie ihn nicht mehr sehen konnte, legte sie die Gabel vorsichtig neben den Teller. Ihre Hände zitterten von der Anstrengung, die sie aufgewandt hatte, um ihre Gefühle zu verbergen. Konnte es sein? Konnte es wirklich sein, dass Armin Ziegler seine Hände im Spiel hatte? Sie schnappte sich ihren Rucksack und verschwand in die entgegengesetzte Richtung.
Durch den Fokus ihrer Kamera hatte sie einen Blick in seine Seele geworfen. Sie hatte diese Magie als kleines Mädchen entdeckt. Wenn sich eine Kamera auf Menschen richtete, sah sie, wie die sich verwandelten. Sie entdeckte die Maske, die sie sich aufgelegt hatten, und fragte sich, warum sie es taten. Selbst Tiere veränderten ihre Haltung, wenn sich eine Kamera auf sie richtete. Eine Katze, die völlig entspannt in der Sonne lag und die es nicht störte, dass sie neben ihr Steine sammelte, zuckte mit den Ohren, bog ihren Schwanz in einem eleganten Bogen nach oben und flüchtet von ihrem Ruheplatz, kaum dass sie ihre Kamera herausholte. Hunde hingegen ließen sich gerne fotografieren. So kam es ihr jedenfalls vor.
Dann versuchte sie, Menschen zu fotografieren, wenn sie es nicht bemerkten. Auf einmal sah sie die Liebe in der Geste einer Mutter, die ihrem Kind den Mund abwischte. Den Forscherblick eines kleinen Jungen, der einen Marienkäfer auf seiner Hand betrachtete. Die Suche nach Trost und Schutz bei einem kleinen Mädchen, das die Arme um ihren Border Collie schlang. Es war eine neue Welt des Verstehens, die sich vor ihr ausbreitete, wenn sie durch ihre Kamera sah. Ein Wissen, das einfach in ihrem Inneren entstand. Ben Wahlstrom war ein Jäger, einer, der tat, was notwendig war, auch wenn es den Tod bedeutete. Sie hatte die Entschlossenheit in seinen Augen gesehen. In der Linie
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