Hannas Wahrheit (German Edition)
Hauptquartier der UN in Nairobi befand sich ein deutsches Sonderkommando, das bei Bedarf in verschiedenen Regionen Afrikas eingesetzt werden konnte.
Das, was an Truppenbewegungen erkennbar war, glich diesmal keiner der üblichen militanten Aktionen, wie sie sonst bei den Angriffen auf die Pipelines stattfanden. Das Ganze wirkte gut geplant und durchorganisiert. Major Wahlstrom runzelte die Stirn. Die Geheimdienstunterlagen zeigten derzeit kein besonderes Gefährdungspotenzial auf, es war in letzter Zeit sogar recht ruhig in dem Land gewesen.
Leutnant Dirk Richter betrat den Raum. „In dem gefährdeten Gebiet befindet sich eine deutsche Reisegruppe. Zwei Journalisten des National Geografik sind dort mit einem nigerianischen Führer unterwegs. In der Region gibt es drei Unterstützungsprojekte eines deutschen Pharmakonzerns und eine Forschungseinrichtung zu den gängigsten Krankheiten in Afrika.“
„Die Journalisten sind aus Deutschland?“
„Jawohl, Major Wahlstrom.“
„Also gut, dann stellen sie mir eine abhörsichere Leitung zu dem Verbindungsoffizier des nigerianischen Militärs her. Mal sehen, ob sie sich das vor Ort genauer ansehen können.“
Die Vibrationen des Hubschraubers weckten Hanna. Harald Winter hatte den Arm um sie gelegt und hielt sie fest. Über ihren Ohren befand sich ein Lärmschutz. Sie starrte Winter fragend an, der traurig den Kopf schüttelte. Mehr brauchte sie nicht zu wissen, Ochuko Mutai, seine Schwester und der Junge waren tot. Sie schloss ihre Augen und fragte sich, warum sie dieses Inferno überlebt hatte.
Harald Winter zog seinen Arm zurück, nachdem er sich versichert hatte, dass es ihr einigermaßen gut ging. Hanna tastete vorsichtig ihren Kopf ab und fühlte eine Beule an ihrem rechten Hinterkopf, die verflucht wehtat. Ihre Haare waren verklebt, aber als sie ihre Finger betrachtete, konnte sie kein Blut feststellen. Der Lärm im Hubschrauber machte jede Unterhaltung unmöglich. Die Männer im Hubschrauber waren militärisch gekleidet, sie trugen Helme und Waffen. Die Soldaten waren alles Einheimische. Sie sah ihre Kamera an, das Objektiv war kaputt, ob der Rest noch funktionierte, konnte sie nicht beurteilen.
Einem Impuls folgend, sah sie sich kurz im Hubschrauber um, niemand schenkte ihr besondere Beachtung. Geschickt holte sie den Speicherchip vom Vortag aus ihrem Hüftgürtel und tauschte ihn gegen den in der Kamera aus. Aber statt den benutzten aktuellen Speicherchip zu den anderen in ihren Taillengurt zu packen, drehte sie sich seitlich weg, beugte sich nach unten und verstaute den Chip in ihrem BH unter ihrer linken Brust. Es war ein Instinkt, etwas, das sie nicht hätte erklären können. Die Bilder waren eine Gefahr, das war klar, niemand durfte sie in die Hände bekommen. Erst einmal musste sie selbst wissen und verstehen, was passiert war. Sie sah Ochuko Mutai vor sich, seine Schwester, den Angreifer und den kleinen Jungen. Hanna schluckte, verscheuchte die Bilder und verdrängte all ihre Gefühle. Sie konnte es sich nicht leisten, schwach zu sein. Sie hatte es sich noch nie leisten können.
Kurze Zeit später landeten sie auf einem militärischen Stützpunkt unweit von Zaria im Nordwesten Nigerias. Sie überließ Harald Winter das Reden. Er war geschickt darin, immer ruhig und gelassen, nie wirkte er bedrohlich. Er erklärte dem Offizier, dass sie Journalisten waren, zeigte seine Papiere sowie die Genehmigung der nigerianischen Behörden. Dann erzählte Winter, warum sie in dem Dorf gewesen waren und was sie gesehen hatten. Das war der gefährlichste Teil, wer wollte schon ausländische Journalisten als Augenzeugen für einen militärischen Konflikt haben. Sie hoffte nur, dass Harry überzeugend genug gewesen war, als er über ihrer beider Interesse an der Natur berichtet hatte.
Harald Winter vermied jede Frage an den Offizier. Hanna hätte es brennend interessiert, wieso es diesen Überfall auf das Dorf gegeben hatte und warum das Militär so schnell da gewesen war. Wie viele Kinder, Frauen und Männer waren gestorben? Sie biss die Zähne zusammen und schwieg. Solche Fragen zu stellen, konnte gefährlich sein. Erstaunlicherweise interessierte sich niemand für ihre Kamera oder ihre Fotos.
Schließlich war das Verhör beendet, und sie wurden zum Flughafen gebracht. Sie kümmerten sich nicht um die Blicke, die ihnen die Menschen zuwarfen. Erst im Flugzeug nach Nairobi atmeten sie beide auf.
Hanna starrte aus dem Fenster. Ihr kam alles unwirklich
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