Hannas Wahrheit (German Edition)
Schwester. Diese warf ihm todbringende Blicke zu.
„Warum hast du davon nichts erzählt?“, wandte sich Silvia Ziegler angespannt an ihre Tochter.
Hanna zuckte unwillig mit den Schultern. „Ich lebe.“
„Ja, aber was hätte alles passieren können. Ich darf gar nicht daran denken. Warum musst du dich auch immer in solche Länder begeben.“ Sie brach ab, schüttelte den Kopf.
„Sie sitzt lebend vor dir, Mama. Hör auf, dir einen Kopf zu machen über Dinge, die bereits geschehen sind und die du sowieso nicht ändern kannst.“ Marie Benner klang genervt. Sie trank das nächste Glas Weißwein in einem Zug leer.
„Ich sag ja, es wird Zeit, dass Hanna sesshaft wird und dir Enkelkinder schenkt, Silvia. Dann hat sie für solche Flausen keine Zeit mehr“, steuerte Susan Paxton ihren Beitrag zu der Unterhaltung bei.
„Als ob das etwas an unserer lieben Hanna ändern würde“, spottete Lukas Benner und prostete Hanna Rosenbaum mit seinem Glas zu, bevor er es ebenfalls in einem Zug leer trank. Sein Blick streifte über die Menge, verhakte sich an einer Person, der er zuwinkte. „Ihr entschuldigt mich, da ist Angelika Winter, ich habe noch etwas Geschäftliches mit ihr zu besprechen.“
Unwillkürlich drehte sich Hanna bei dem Namen um. Angelika Winter versprühte gar nichts Langweiliges im realen Leben. In ihrem schwarzen Kleid und ohne Brille besaß sie eine Ausstrahlung, die sie durchaus interessant machte. Sie sah, wie sie mit einem strahlenden Lächeln ihren Schwager begrüßte und ihm distanziert die Hand reichte. Was für eine verlogene Show, dachte Hanna. So wie das alles hier. Sie spürte die Bitterkeit in ihrem Mund, die sie so oft überkam, wenn sie auf Feiern die Menschen beobachtete. Hier ein freundliches Lächeln, dort eine nette Umarmung, und kaum war einer weg, fing das Tratschen an, dachte sie.
Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie Marie die Lippen zusammenpresste. Zwei rote Flecken bildeten sich am Hals ihrer Schwester, und sie schüttete sich das nächste Glas mit Wein voll.
Silvia Ziegler wandte sich an Wahlstrom. „Was genau ist da unten passiert, Major Wahlstrom?“ Ihr intensiver Blick konnte es mit dem ihrer Tochter aufnehmen. Er sah ihre Sorge und eine große Traurigkeit darin. Ein flüchtiger Hauch von schlechtem Gewissen streifte ihn.
„Lass es gut sein, Silvia. Marie hat recht, du kannst an der Vergangenheit nichts ändern, egal, wie viele Details du kennst“, bremste Armin Ziegler in sanftem Ton den Wissensdurst seiner Frau. Aber diese schüttelte energisch den Kopf.
„Nein, Hanna wird es mir von sich aus nie erzählen. Diesmal möchte ich es aber wissen.“
Major Wahlstrom war kurz versucht, nachzufragen, was sie mit „diesmal“ genau meinte, entscheid sich dann aber dagegen.
„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Das Dorf wurde von einer militärischen Einheit überfallen, und alle Menschen wurden erschossen. Eine der Frauen war die Schwester des Fahrers von Harry und Hanna. Auch der Fahrer kam ums Leben.“
Der Kopf von Armin Ziegler zuckte kurz zu Hanna Rosenbaum. Interessant, dachte er, die erste spontane Reaktion dieses sehr beherrschten Mannes.
„Aber über die Menschen, die in diesem Dorf lebten, kann Ihnen Ihr Mann vermutlich mehr erzählen als ich.“ Eine solche winzige Schwäche muss man eigentlich nutzen, dachte er grimmig.
„Was sollte ich über Menschen in einem Dorf in Afrika wissen?“, erwiderte Armin Ziegler reserviert.
„Immerhin war es ein Projekt Ihrer Stiftung.“
„Major Wahlstrom, ist Ihnen klar, wie viele Projekte über die Stiftung laufen?“
„Hast du es vergessen, Armin? Wir haben über das Dorf doch gesprochen“, fiel ihm seine Frau in den Rücken.
„Was nichts daran ändert, dass ich die Menschen aus dem Dorf nicht kannte. Es war in der Tat ein furchtbares Ereignis, wie es in solchen Ländern leider nicht selten vorkommt. Nicht wahr, Major Wahlstrom?“ Sein Blick bohrte sich in seinen. Wahlstrom konnte die Herausforderung darin spüren.
„Korrekt. Darf ich Fragen, welchem Zweck das Projekt in dem Dorf diente?“
„Beruflich oder privat?“ Die Worte von ihnen kreuzten sich wie Degen.
„Beides.“
Armin Ziegler zuckte bedauernd mit den Achseln. „Da müssen Sie sich an meine Tochter Marie wenden. Die Stiftung gehörte zu ihrem Bereich. Immerhin bekommen wir damit eine Menge guter Presse.“ Für Wahlstrom war die Ironie in seinen Worten deutlich zu hören.
Armin Zieglers Blick wanderte zu Marie Benner, während
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