Hannas Wahrheit (German Edition)

„Während du dich mit diesem Major unterhalten hast, war dein Mann so nett, uns einen eigenen Servicestand an unserem Tisch aufzubauen“, fügte Susan Paxton mit Blick auf Marie hinzu.
    „Ja, Susan, ich gebe dir recht. Mein Mann weiß sehr genau, womit er Frauen glücklich machen kann, nicht wahr, Schatz?“
    Der spitze Unterton in ihrer Stimme ließ das Lächeln auf dem Gesicht ihres Mannes verschwinden. Sie setzte sich neben ihn und zog Wahlstrom auf den leeren Stuhl an ihre anderen Seite.
     
    „Darf ich Sie um Aufmerksamkeit bitten“, schallte eine Stimme über Lautsprecher durch die Räume. Die Leute wandten sich der Bühne zu, auf der eine ältere, weißhaarige Dame stand.
    „Ich freue mich, Sie heute so zahlreich zu unserer Eröffnungsveranstaltung Das Gesicht von HIV begrüßen zu dürfen. Die Idee dazu ist mir gekommen, als ich die Ausstellung einer jungen Fotografin besuchte. Sie trug den Namen Mütter dieser Welt und hat mich tief bewegt. Sie zeigte auf eine sehr eindrucksvolle Weise, wie sehr wir Menschen uns auf der ganzen Welt ähneln. Egal welcher Nationalität wir angehören, egal welcher Hautfarbe oder Religion. Ich wagte es damals fast nicht, die Fotografin zu fragen, ob sie bereit wäre, unsere Organisation mit ihren Fotos zu unterstützen, denn unser Geld brauchen wir für die Hilfe der betroffenen Menschen und können sie nicht in teure Bilder investieren. Wie es der Zufall wollte lernte ich auf einer Veranstaltung, ihre Zwillingschwester Marie Benner kennen, die Marketingleiterin von Medicares. Begrüßen Sie die Schirmherrin dieser Veranstaltung.“
    Auf Marie Benner, die aufgestanden war, richtete sich ein Spot, und die Menschen im Saal applaudierten. Marie Benner lächelte, winkte fröhlich in die Runde.
    Die ältere Dame auf dem Podium wartete, bis sich der Applaus legte, dann fuhr sie fort. „Nachdem ich die Chance bekam, Hanna Rosenbaum persönlich das Projekt vorzustellen, überraschte sie mich nicht nur mit ihrer Offenheit und Bereitschaft, kostenlos für uns Bilder zu machen, sie trug vielmehr mit wunderbaren Ideen zu dem Konzept dieser Ausstellung bei. Statt nur eine Bilderausstellung in einer Galerie mit einem Festessen zu machen, überlegten wir uns, das Ganze in die kreative Fabrik zu verlegen. Zusammen mit weiteren Künstlern und vor allem Sponsoren ist so ein vielfältiges Wochenprogramm entstanden, das für jeden etwas bietet und damit zeigt, dass diese Krankheit ein Teil des Lebens ist, unseres Lebens.“ Die Rednerin legte eine kurze Pause ein, um den Zuhörern Zeit zu lassen, die Worte zu verarbeiten.
    „Bei der Presse möchte ich mich ganz herzlich für ihre umfangreiche Berichterstattung im Vorfeld der Veranstaltung bedanken. Ihnen verdanken wir es, dass die Events mit Ausnahme von wenigen Plätzen bereits ausgebucht sind.“ Es entstand eine weitere Pause für den Applaus, was mit einem strahlenden Lächeln der Dame auf dem Podium entgegengenommen wurde. „Mein besonderer Dank gilt all den Künstlern, die sich mit ihren Ideen eingebracht haben, und natürlich den zahlreichen Sponsoren, ohne die das alles niemals möglich gewesen wäre. Übrigens gehen die ganzen Gewinne aus den Veranstaltungen in den Spendentopf der Deutschen Aids-Hilfe.“
    Die Sprecherin legte eine Pause für den Applaus ein.
    „Wer ist das?“, flüsterte Wahlstrom leise Marie Benner zu.
    „Kati Merz, sie gehört zum Bundesvorstand der Deutschen Aids-Hilfe“, wisperte sie zurück.
    „Ich habe versucht, all meine Überredungskünste aufzubringen, um heute die Frau auf die Bühne zu bekommen, die mit ihren Bildern den Rahmen für diese Veranstaltung setzt, Hanna Rosenbaum. Frau Rosenbaum hat mich mit ihrer Arbeit nicht nur tief berührt, sondern regelrecht überwältigt. Als ich vorhin durch den Raum ging, bemerkte ich auf den Gesichtern von vielen von Ihnen den gleichen Ausdruck. Die Fotos zeigen auf so eindringliche Weise, wie sich das Leben eines Erwachsenen, eines Kindes und von deren Familien ändert, wenn eine positive Diagnose sie trifft. Dank der intensiven Forschung in der Medizin und der Pharmazie ist es den Betroffenen in den westlichen Ländern heute möglich, ihr Leben fortzuführen, und der Tod trifft sie im gleichen Maße wie Menschen ohne HIV. Das ist ein Ergebnis der vereinten, intensiven Bemühungen von Ärzten und Forschung. Ich konnte Hanna Rosenbaum zwar nicht überreden, sich ihre wohlverdiente Anerkennung für ihre Arbeit abzuholen, doch sie hat eine weitere