Hannas Wahrheit (German Edition)
sein Gesicht einen missbilligenden Ausdruck annahm. Marie Benner forderte den Kellner gerade erneut dazu auf, ihren Weinvorrat aufzufüllen. Als sie spürte, dass sich die Aufmerksamkeit auf sie richtete, sah sie in die Runde. „Was? Darf man heute nicht Mal mehr Wein trinken?“
„Es reicht“, griff Hanna Rosenbaum resolut ein. Sie nahm ihrer Schwester die Weinflasche ab, entwendete ihr das halbvolle Glas und drückte ihr stattdessen ein Glas Wasser in die Hand. Erstaunlicherweise ließ sich Marie Benner alles widerspruchslos gefallen.
„Und wie konnten Hanna und Harry den Überfall überleben?“ Es war Silvia Ziegler, die mit brüchiger Stimme das Gespräch wieder auf den Überfall zurückbrachte.
Ein warnender Blick von Armin Ziegler traf Wahlstrom. Der Unternehmer schien ehrlich besorgt zu sein um seine Frau.
„Sie befanden sich in diesem Moment bereits außerhalb des Lagers auf dem Weg zu ihrem Wagen. Der Fahrer rannte bei den Schüssen zurück.“ Er verschwieg, dass auch Hanna Rosenbaum mit ihrer Kamera zurückgerannt war, allerdings zurück in das Feuergefecht.
„Und dann hatten sie Glück“, erklärte er weiter. „Das nigerianische Militär hatte von der Sache Wind bekommen. Die Soldaten kamen zu spät für die Dorfbewohner, aber noch rechtzeitig für Harald Winter und Hanna.“
„Waren Sie dabei?“ Das Gesicht von Silvia Ziegler glich einer weißen Wand, ihre Stimme war nur noch ein Hauch.
„Nein, es gibt keine deutschen Soldaten in Nigeria. Ich bin derzeit bei den UN-Truppen. Wir kommen ins Spiel, wenn Deutsche in einen Konflikt verwickelt sind, und da Harald Winter und Ihre Tochter bei dem Vorfall dabei waren, wurden wir eingeschaltet.“
„Er hat meine Fotos beschlagnahmt“, ergänzte Hanna Rosenbaum seine Ausführungen. Als ihr gleich darauf bewusst wurde, was sie gerade gesagt hatte, biss sie sich auf die Unterlippe.
„Fotos?“ Die Stimme von Silvia Ziegler ging eine Oktave hoch.
„Fotos?“ Armin Zieglers Körperhaltung straffte sich. Gleichzeitig warf er seiner Frau einen raschen Blick zu.
„Du hast Fotos von diesem Überfall gemacht?“, wandte sich Armin Ziegler an Hanna.
„Ein paar, und nur aus der Distanz“, beschwichtigte Hanna Rosenbaum hastig. „Ich war nicht in Gefahr …“ Sie brach ab. Nein, dachte Wahlstrom ironisch und sah, dass Hanna Rosenbaums Worte ihre Mutter keineswegs beruhigten. Silvia Ziegler wandte sich an ihn, und er fühlte die Verantwortung auf sich ruhen. Hanna Rosenbaums Mutter war ein überaus zerbrechliches Wesen, er wollte sie nicht weiter verängstigen.
Sowohl Armin Zieglers als auch Hanna Rosenbaums Körperhaltung waren deutlich angespannt.
„Ihre Tochter war nicht Ziel des Angriffes, Frau Ziegler“, erklärte er ruhig.
Sie nickte, Tränen stiegen ihr in die Augen.
Hanna Rosenbaum warf ihm einen Blick zu, den er nicht deuten konnte, dann rutschte er ab, in die Menschenmenge hinter ihm. Ihre Körperhaltung verlor nicht an Spannung. Unwillkürlich drehte er sich um und sah, dass sich Kati Merz dem Tisch näherte.
„Ich muss gehen“, erklärte Hanna Rosenbaum und stand auf.
Philip Bornstedt erhob sich gleichfalls. „Ich fahre dich nach Hause.“ Seine Stimme klang besorgt, er war blass im Gesicht.
„Nein.“
Bevor Philip Bornstedt etwas erwidern konnte, war Hanna Rosenbaum bereits in die Menge eingetaucht. Wie zuvor schon umrundete sie geschickt die dicht gedrängt stehenden Leute. Niemand nahm sie wahr. Sie war ein Schatten, der durch die Menschenmenge huschte.
Armin Ziegler warf seiner Frau einen besorgten Blick zu. Mit zittriger Hand griff sie nach ihrem Weinglas. „Ich denke, meine Liebe, wir sollten nach Haus fahren. Wir waren lang genug hier.“
Dankbar sah ihn seine Frau an. Gleich darauf verabschiedeten sich die Zieglers. Der Händedruck von Armin Ziegler war hart, als er sich von ihm verabschiedete.
Gefühle
„ O h, das ist ja Kati“, stellte Susan Paxton fest. Sie winkte die ältere Dame, die sich ihnen von Tisch zu Tisch langsam genähert hatte, zu sich heran. Wahlstrom kämpfte gegen sein Bedürfnis an, aufzuspringen und Hanna Rosenbaum zu folgen.
„Kannst Du mich nach Hause bringen?“ Ein trauriger Zug legte sich um Marie Benners Mund, als sie ihm die Worte leise zuflüsterte. Sie deutete mit der Kinnspitze zu Katie Merz, die sich mit Gästen unterhielt. „Mir ist gerade nicht nach Small-Talk zu mute.“
„Sollte das nicht dein Mann tun?“, wich er ihr aus. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken
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