Hannas Wahrheit (German Edition)
ironischen Lächeln. „War dir das zu viel Emotion, Armin, oder lag es eher an den Bildern?“
Die Augen der beiden verhakten sich kurz miteinander. Ihre Mutter runzelte die Stirn. Marie Benner schnappte sich die Weißweinflasche aus dem Kühler und füllte sich ihr Glas, das sie in einem Zug leerte. Sie winkte einen Kellner heran, der gehorsam die leere Flasche gegen eine volle wechselte.
„Du solltest nicht so viel trinken, das bekommt dir nicht“, kritisierte Lukas Benner seine Frau mit einem kalten Blick. Sie richtete mit einem spöttischen Lächeln die Aufmerksamkeit auf ihren Mann.
„Es gab eine Zeit, da hattest du nichts dagegen, wenn ich zu viel getrunken habe.“
„Damals wusstest du, wann du aufhören musst“, maßregelte Lukas Benner seine Frau jetzt scharf. Es entstand eine peinliche Stille.
Philip Bornstedt räusperte sich und wandte sich an Marie Benner. „Was meinst du, wollen wir mal zusammen auf die Suche nach Hanna gehen?“
„Das kannst du dir sparen, Philip. Wenn Hanna nicht gesehen werden will, dann kann niemand sie finden.“ Sie wandte sich an ihn. „Obwohl, ich muss mich korrigieren. Ben scheint eine Art sechsten Sinn zu haben, wenn es darum geht, Hanna aufzuspüren.“ Sie klimperte ihn mit ihren langen Wimpern an. „Und, hast du sie schon entdeckt?“
„Ich würde es wohl eher Glück nennen, und ja, wenn ich mich nicht irre, ist sie dort drüben und will aus der Tür schlüpfen.“ Alle am Tisch wandten sich in die Richtung, in die Wahlstrom mit seinem Kopf gedeutet hatte.
Eine junge Frau, in dunkler Hose und mit einem schwarzen T-Shirt, drehte sich um, als spürte sie die Aufmerksamkeit der Menschen in ihrem Rücken. Hanna Rosenbaum zögerte, dann ging sie mit geschmeidigen Schritten auf den Tisch zu. Dabei bewegte sie sich geschickt durch die Menschenmenge, ohne dass ihr jemand Beachtung schenkte. Marie Benner erhob sich, küsste ihre Schwester rechts und links auf die Wange.
„Hallo, Schwesterherz, wir haben uns gerade über den Effekt deiner Show unterhalten. Komm, setz dich zu uns.“ Philip Bornstedt hatte sich bereits erhoben und einen weiteren Stuhl vom Nachbartisch organisiert.
Hanna setzte sich. „Und?“
„Und was?“, hakte Marie nach.
„Hat euch die Show gefallen?“ Ihr Blick richtete sich auf ihren Stiefvater. Er tupfte sich mit einer Serviette den Mund ab, vermied einen Blickkontakt mit ihr.
„Interessante Bilder, Schwägerin, woher hast du sie?“
Hanna musterte Lukas kurz, beantwortete seine Frage aber nicht. Sie erkannte kurz ein Funkeln in Lukas Augen, bevor sich dessen Blick auf sein Handy senkte und er etwas eintippte.
„Ich fand sie bedrückend“, warf Susan, die Freundin ihrer Mutter ein, mit einem Blick auf ihren Neffen. „Es wird Zeit, dass du dich mit anderen Themen in deinem Leben beschäftigst.“
„Ich fand sie beeindruckend, emotional, ergreifend und sehr anschaulich“, verteidigte Philip die Arbeit von ihr. Sie schenkte ihm ein schnelles Lächeln. „Ist der Junge an Aids gestorben?“
Major Wahlstrom konnte die Geringschätzung in Lukas Benners Gesicht sehen, als dieser von seinem Handy zu Philip Bornstedt aufsah.
„Nein, er wurde erschossen“, mischte sich Wahlstrom ein. Er betrachtete Hanna Rosenbaum nachdenklich und fragte sich, was sie mit der Show bezwecken wollte. Wahlstrom sah das Aufblitzen in Hannas Augen. Langsam lehnte sich Lukas Benner in seinem Stuhl zurück. Ben Wahlstrom konnte auch seinen Blick auf sich spüren. Er notierte sich gedanklich, dass er sich den Lebenslauf von Lukas Benner und seine Stellung im Unternehmen bei nächster Gelegenheit genauer ansehen würde.
„Sie kennen den Jungen?“, warf Silvia Ziegler überrascht ein.
„Ja, so habe ich Ihre Tochter kennengelernt. Harald Winter und sie waren die einzigen Überlebenden bei dem Angriff auf das Dorf in Nigeria. Das Dorf haben sie gerade auf den Bildern bei der Bühnenshow gesehen. Der Junge gehörte zu den Opfern.“
„Oh mein Gott“, hauchte Silvia Ziegler und wurde blass. Ihr Mann legte schützend seine Hand um ihre Schulter. Er beobachtete genau die Reaktion der Anwesenden, doch es waren zu viele unterschiedliche. Er spürte, wie sich der Stresspegel in der Gruppe erhöhte. Armin Ziegler konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf seine Frau. Philip Bornstedt schüttelte leicht den Kopf, Lukas Benner verzog seinen Mund zu einem Lächeln, das irgendwie bedrohlich wirkte. Marie Benner hingegen betrachtete mit gerunzelter Stirn ihre
Weitere Kostenlose Bücher