Hannes - Falk, R: Hannes
Kaff, in dem sie da leben, ein Musikgeschäft findet, und dann will er mir Noten schicken. Wenn nicht, fährt er morgen in die Stadt, da findet er garantiert was. Na klar, wo in Spanien Unmengen von Posaunisten leben, dürfte das kein Problem sein. Ich hätte die Geschichte lieber für mich behalten sollen. Ich fürchte,ich habe ihm nun offensichtlich endlich ein Amt gegeben in seinem Altersruhesitz, eine Aufgabe, die er mit ganzer Leidenschaft erfüllen wird.
Ach ja, und der Carlos ist zum Glück wieder völlig gesund. (Who the fuck is Carlos?) Ich soll dich natürlich ganz lieb von ihnen grüßen und dir alles Gute wünschen, was ich dann morgen tun werde, heute schaff ich’s einfach nicht. Werde den Tag heute im Bett verbringen und die wiedergewonnene Freiheit in Form einer Fernbedienung dadurch feiern, dass ich die Kanäle rauf- und runterjage. Ja, das werd ich tun. Bis morgen, Hannes.
Dienstag, 02.05.
Hab jetzt also wieder Nachtschicht (wie berichtet) und stoße deswegen unvermeidbar ständig auf die Psycho-Redlich. Weil sie sich ja von ihrem Lebensabschnittsgefährten getrennt hat und es drum vorzieht, im Vogelnest zu nächtigen. Das irritiert mich kolossal. Wenn ich zum Beispiel in der Küche sitze und an dich schreibe, kommt sie und schaut mir frech über die Schulter. Außerdem mag sie es nicht, dass ich um kurz vor zehn mit der Walrika auf den Balkon verschwinde, und sie mag es auch nicht, dass ich nachts so lange bei der Frau Stemmerle bin. Sie weiß überhaupt alles, was ich tue in meinen Schichten, und nörgelt ständig daran herum. Wann schläft die Alte überhaupt?
Na, jedenfalls hab ich gestern mit der Walrika auf dem Balkon gestanden, und die hat mich gebeten, mir ein paar Gedanken über die Gestaltung des bevorstehenden Sommerfesteszu machen. Ich hab die Aufgabe gern übernommen, das verkürzt mir die Nacht ungemein, und überhaupt kann ich der Walrika sowieso keine Bitte abschlagen. Werde mich nun also diesen Gedanken widmen und melde mich morgen wieder. Übrigens war ich vor der Arbeit noch bei dir und hab dir von den letzten Tagen erzählt. Du hast darauf naturgemäß nicht reagiert.
Donnerstag, 04.05.
Schreibe vom Vogelnest aus. Nachdem die Küche und die Insassen aufgeräumt waren und die Walrika im Bett lag, hab ich mich erneut der Gestaltung des Sommerfestes gewidmet. Also hab ich mich mit ’nem Block an den Küchentisch gesetzt und mir ein paar Notizen gemacht. Wie nicht anders zu erwarten, ist dann die Redlich gekommen und hat mich gefragt, was ich da grad tu. Ich mach’s kurz: Zu Anfang war ich ja noch richtig genervt. Nachdem ich’s ihr aber erklärt hab, ist eine erstaunliche Veränderung eingetreten.
Die Redlich war begeistert und hat mich gefragt, ob sie da mitmachen kann. Wir sind ziemlich lange gesessen und hatten ein paar richtig gute Ideen gemeinsam. Irgendwann hat sie eine Schere geholt und Papier und Kleber und hat ein paar Tischdekorationen gemacht, die wir im Vorfeld gemeinsam mit den Insassen basteln könnten. Damit die Tische eben gut aussehen auf dem Fest. Davor hat sie ihre langen roten Haare hochgesteckt, damit die keinen Kleber abkriegen. Sie hat mich gebeten, hinter sie zu treten, um ihr bei den Handgriffen zuzusehen, damit ich sie eben auch beherrsche. Wasich auch getan hab. Sie hat da im Nacken so einen ganz feinen rötlichen Flaum, das ist der Wahnsinn, Hannes. Da könntest du glatt verrückt werden, so scharf sieht das aus. Leider hatte sie wieder Wildrosenessig verwendet, was alle Erotik im Keim erstickt hat. Schade eigentlich.
Na, jedenfalls sind wir gesessen und haben Tischdekorationen ausprobiert, und ich danke Gott dem Herrn, dass mich keiner von euch dabei gesehen hat. Am Ende hab ich dann noch irgendwie gesagt, dass es doch ganz nett war heute und dass es eigentlich viel besser läuft, wenn man sich nicht immer ankeift. Und sie hat gesagt, man sollte aber trotzdem sagen, was einen stört, sonst frisst man alles nur in sich rein. Hab ihr dann gesagt, dass mich ihr Parfüm stört. So, jetzt muss ich aber los, meine Runde drehen, und vermutlich warten ja die Frau Stemmerle und die Jasmin längst schon sehnsüchtig auf mich. Bis dann, mein Freund.
Samstag, 06.05.
War heute lange bei dir und hab dir ein paar Episoden aus meinem Brief vorgelesen. Der Schnauzbart hat mal seinen Kopf reingestreckt und gefragt, ob alles in Ordnung ist. Was fragt er mich das? Schließlich ist er der Arzt und sollte daher am besten wissen, dass es so, wie es ist, eben nicht
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