Hannes - Falk, R: Hannes
in Ordnung ist. Egal.
Wir waren den ganzen Nachmittag allein, erst gegen Abend sind deine Eltern gekommen. Habe mich darauf auch gleich aus dem Staub gemacht. Komisch, Hannes, ich glaub, die Nelehat schon recht, wenn sie das Gefühl hat, dass sie uns stört. Es ist schon am schönsten, wenn wir beide allein sind. Du strahlst eine unheimliche Ruhe aus. Ich weiß natürlich, dass das für dich nicht so toll ist, und ich hätt’s auch lieber anders, aber wenn ich bei dir bin, komm ich irgendwie runter von der ganzen Hektik, verstehst du? Ich sitz dann auf der Bettkante und erzähl aus meinem Leben. Oder ich les dir was vor. Ab und zu geh ich zum Fenster und schau hinaus. Ich kann deine Hand halten oder auf die Decke plumpsen lassen. Und ich könnte in deinen Augenspalt schauen, wenn ich wollte. Will ich aber nicht. Jedenfalls ist es schön bei dir. Na ja.
Gestern haben wir der Walrika unser Programm fürs Sommerfest präsentiert, die Redlich und ich, und was soll ich dir sagen – sie war begeistert. Wir sollen das nun genau so umsetzen, wie wir es aufgeschrieben haben, und die Leute einteilen, wie wir sie brauchen. Das haben wir auch getan. Und nun muss die Frau Stemmerle Tischdekorationen basteln, und stell dir vor, sie lächelt dabei. Und der Florian wurde zur Gartenarbeit eingeteilt, denn der Garten soll ja bei dem Fest auch ’ne gute Figur abgeben. Zuerst hat er zwar gemault, der Florian. Als wir ihn aber vor die Wahl stellten: im Garten arbeiten und schweigen oder basteln und reden, waren die Würfel schnell gefallen. Und nun steht er draußen im Garten in grünen Latzhosen, und die passen ausgezeichnet zu seinen roten Wangen. Es ist perfekt. Sonst gibt es eigentlich nichts Neues, werde morgen ausschlafen, frühstücken und mich keine Handbreit von meiner Couch entfernen.
Ach ja, die Redlich hat ihr Parfüm gewechselt. Yes!
Donnerstag, 11.05.
Habe nun lange nichts geschrieben und werde mich auch jetzt nicht mit dem zäh fließenden Alltag aufhalten, sondern komme gleich zum Wesentlichen. Höchstwahrscheinlich hast du es lange schon vor mir gewusst, mein Freund, nicht wahr? Vom allerersten Tag an, an dem ich dir von ihr berichtet hab, denk ich mal. Hast es wohl wieder auf ein kleines Zettelchen geschrieben, Hannes, oder? Diese kleinen Zettel, die wir immer geschrieben haben, sobald wir ein neues Mädchen kennengelernt haben, wo jeder von uns beiden seine Prognose für den anderen draufschrieb, viele, viele Male, stimmt doch, Hannes. Sobald wir ein neues Mädchen kennengelernt hatten, wurden die Prognosen für die jeweilige Chance des anderen abgegeben, ob mit der was laufen könnte oder nicht. Bei der Vermutung, da könnte was gehen, schrieben wir »Bingo!« drauf, wenn nicht, dann »Vergiss es!«. Und deine Trefferquote war überwältigend. Du hattest bei all meinen Bingos recht und hast dich auch bei meinen Niederlagen kaum erwähnenswert verschätzt. Wenn die Sache dann eindeutig war, haben wir die kleinen zusammengerollten Zettelchen auseinandergerollt, um zu sehen, was der andere getippt hatte. Es hat irre Spaß gemacht.
Ich habe dir nun fast eine Woche nicht geschrieben, war aber am Dienstag vor der Arbeit bei dir. Und da hab ich dir schon erzählt, was passiert war, und ich hatte wieder einmal das untrügliche Gefühl, du hättest gegrinst. Genau da ist mir die Geschichte mit den Zetteln wieder eingefallen, weil du eben genauso gegrinst hast wie damals immer, wenn du richtig gelegen hattest mit deiner Notiz. Genau so hast du am Dienstaggegrinst, ich schwör’s. Na ja. Jedenfalls werde ich es nun auch noch aufschreiben, und obwohl ich es schreibe, kann ich es selber immer noch nicht fassen. Weil es einfach so unvorhersehbar war wie sonst nix in meinem Leben, Hannes. Aber es ist wahr.
Ich hatte am Montag, dem achten Mai, den besten Sex meines Lebens. Und zwar mit der Frau Dr. Redlich. Und zwar im Vogelnest! So, jetzt isses raus. Wir sind uns kurz vor Mitternacht rein zufällig im Korridor begegnet, an der engen Stelle vor unserem Gemeinschaftsraum. Haben uns irgendwie aneinander vorbeigequetscht und sind im Halbdunkel so urplötzlich übereinander hergefallen, als gäb’s kein Morgen mehr. Irgendwie haben wir es noch in ihr Zimmer geschafft und hatten dann überirdischen, magischen Sex, der alles bisher Dagewesene völlig vernichtet hat. Sie ist die Königin der Lust, und ich bin ihr womöglich verfallen bis ans bittere Ende meiner Tage. Du kannst dir vermutlich vorstellen, dass es
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