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Hannes - Falk, R: Hannes

Hannes - Falk, R: Hannes

Titel: Hannes - Falk, R: Hannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Falk
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nämlich bei dir auf deine lächelnde Mutter gestoßen, die hat mir das erzählt, und sie hatte überglücklich die kleine Joco auf dem Arm. Um die kümmert sie sich, solange die Nele flachliegt. Ja, der liebe Gott sorgt für uns alle!
    Jedenfalls bist du im Rollstuhl gesessen und hast die Kleine angeschaut. Kein Blick in die Kastanie oder an die Wand, keine einzige Sekunde lang. Du hast die Augen nicht abgewandt von deiner Tochter, noch nicht einmal, als ich reinkam. Aber du hast nach meiner Hand gegriffen, mein Freund. Du hast meine Hand gedrückt, ganz fest, und dein Blick ruhte im Schoß deiner Mutter bei dem schlafenden Kind. So saßen wir eine Weile ganz still und aus dem kleinen Radio kam Weihnachtsmusik. Deine Mutter hat mir ein paarmal überdie Wangen gestreift, und ehe ich anfing, in meinen Ärmel zu rotzen, bin ich gegangen. Ich war sehr ergriffen, Hannes, und ich danke dir für diese Momente.
    Montag, 25.12.
    War natürlich gestern im Vogelnest und hab wie versprochen Posaune gespielt. Stand vorm Christbaum und hab die Insassen bei Punsch und Stollen musikalisch verköstigt. Bin leider naturgemäß wieder etwas abgedriftet und hab die guten alten deutschen Weihnachtslieder etwas verjazzt. Was offensichtlich keinen gestört hat, jedenfalls haben sie hinterher lang applaudiert. Der Bauer vom Lehmbichlhof war auch da. Er hatte einige Eimer Frischkäse dabei und selbst gemachte Plätzchen. Er hat mir auf die Schulter geklopft und gesagt: »Bleib beim Jazz, Bursche!« Na ja.
    Anschließend hat mir die Walrika ein Geschenk überreicht, und das hatte es in sich, Hannes. Es war ein Arbeitsvertrag auf Lebenszeit, unterschrieben von der Heimverwaltung und vom Spendenkomitee mit einwandfreien Konditionen und gutem Gehalt. Es fehlte nur noch meine Unterschrift drunter. Das Schönste an diesem Geschenk jedoch war der Anhang. In dem hatte nämlich ein jeder vom Vogelnest ein paar Zeilen geschrieben, warum ich unbedingt hierbleiben sollte, nach meiner Zivi-Zeit. Da hatte die Frau Obermeier zum Beispiel reingeschrieben: »Lieber Uli, ich möchte, dass Sie im Vogelnest bleiben, weil Sie die besten Buttersemmeln schmieren.« Ein anderer hat geschrieben, dass ich so schön Posaune spiele, und noch einer schrieb, dass ich der ollen Wäschekammerendlich ein prickelndes Geheimnis gegeben hab. Na ja. Jedenfalls ging das so Zeile für Zeile, und alle kamen zu Wort. Die Walrika war die Letzte, die schrieb, und zwar: »Lieber Uli, ich möchte, dass Sie bleiben, weil ich Sie einfach mag. In Gottes Namen und zum Teufel noch mal!« Das hat mich schon sehr gefreut. Und auch stolz gemacht, Hannes. Ich hab mich bedankt und noch ein Ständchen gespielt, bevor ich ging.
     
    Hab zu Hause noch mit meinen Eltern telefoniert, und meine Mutter hat gesagt, sie findet es unheimlich schade, dass ich keinen Christbaum habe. Und dass das gar keine Umstände bereitet, heutzutage mit den praktischen künstlichen Bäumen. Die müsse man nur aufklappen wie einen Regenschirm. Sie hat heuer die Kunststoffkugeln ausgetauscht durch Strohsterne und Glaskugeln, weil dadurch der Baum viel echter aussieht. Man merkt jetzt gar nicht mehr, dass der Baum falsch ist, sagt sie. Mein Vater sagt, der Baum sieht unglaublich scheiße aus, aber das ist wurst, weil Weihnachten bei fünfundzwanzig Grad sowieso scheiße ist.
    Auch mit dem Michel hab ich telefoniert, ziemlich lange sogar. Ich soll dich natürlich ganz fest grüßen von allen, und sie wünschen dir, dass es weiter bergauf geht, Hannes.
    Bin danach ins Sullivan’s, es war sehr voll und die meisten Gäste trugen rote Nikolausmützen mit Leuchtsternen, die ganz doll blinkten. Ich war froh, den Rick und den Brenninger dort anzutreffen. Auf dem Tresen stand ein Plastikweihnachtsmann, der immer, wenn jemand herkam und ein Bier bestellte, ›Jingle Bells‹ gespielt hat, also quasi ununterbrochen. Der Wirt hat ein Büfett angeboten, selbstverständlich vom Partyservice Brenninger, und der Brenninger trug Kappeund T-Shirt mit selbiger Aufschrift. Wir haben über die letzten Tage geplaudert, und ich hab natürlich auch die Geschichte von deinem Vater erzählt. Die zwei haben mir zugehört und haben es unglaublich scheiße gefunden. Irgendwie hab ich dann gesagt, dass ich es auch unglaublich scheiße finde, dass sie sich selber aber keinen Deut besser verhalten würden. Sie haben darauf aber gemeint, das wär ja ganz was anderes, sie wären ja schließlich nicht dein Vater und somit sind sie raus aus dem Schneider.

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