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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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und was du für mich tun mußt?« »Selbstverständlich erinnere ich mich daran.« »Es ist soweit, mein Freund. Du weißt, wonach mir der Sinn steht. Ich will ein Set-up mit zwei Kameras. Die Tonqualität darf auf keinen Fall so dürftig sein wie in deinen Pornostreifen. Für Strom mußt du selbst sorgen. Und denk dran, der Generator muß weit genug weg vom Set sein. Für den Schnitt will ich ein paar schöne
Naturaufnahmen und Vogelgezwitscher. Du machst dich morgen mit den Örtlichkeiten vertraut und baust das Set auf. Für die Sicherheit deiner Ausrüstung garantiere ich. Du kannst sie dort lassen. Dann fliegst du nach Rom zurück. Dort bleibst du bis zum Dreh. Aber halte dich jederzeit bereit. Du mußt innerhalb von zwei Stunden aufbrechen können. Haben wir uns verstanden, Oreste? Einen Scheck habe ich für dich bei der Citibank hinterlegen lassen. So weit, so klar?« »Mason, zur Zeit, ich drehe gerade -« »Übernimmst du den Auftrag oder nicht, Oreste? Du hast mir erzählt, du wärest es leid, immer nur Bumsstreifen und snuff-movies oder Geschichtsklamotten für das RAI abzudrehen. Es wird ernst, Oreste. Ich will ein Ja oder Nein von dir hören.« »Ja, Mason.« »Dann fliege noch heute. Das Geld ist auf der Citibank. Ich will, daß du loslegst.« »Wo, Mason?« »Sardinien. Fliege nach Cagliari, dort wird man dich abholen.« Der nächste Anruf ging nach Porto Torres an der Ostküste Sardiniens. Das Gespräch war kurz. Es gab nicht viel zu sagen, denn die Maschinerie dort war schon seit langem installiert und mindestens genauso effizient wie Mason Vergers transportable Guillotine. Ein Wildschweinrudel, ökologisch überzeugend, dafür aber nicht ganz so schnell.

II. FLORENZ

KAPITEL 17
    Nacht im Herzen von Florenz. Die Altstadt ist kunstvoll beleuchtet. Im Hintergrund der düsteren Piazza erhebt sich, von Flutlichtern angestrahlt, der Palazzo Vecchio in seiner mittelalterlichen Pracht, mit seinen Fensterbögen und Zinnen, die den Zähnen eines ausgehöhlten Kürbisses ähneln, und dem sich in die dunkle Nacht emporschwingenden Glockenturm. Fledermäuse werden Insekten vor dem leuchtenden Ziffernblatt der Uhr jagen, bis die Sonne aufgeht und die Schwalben sich in die von Glockenschlägen erzitternde Luft erheben. Der Chefinspektor der Questura, Rinaldo Pazzi, trat, gekleidet in einen Regenmantel, der sich dunkel vor den in gewalttätigen Posen erstarrten Marmorstatuen abhob, aus dem Schatten der Loggia heraus und überquerte die Piazza. Sein bleiches Gesicht wandte sich wie die Blüte einer Sonnenblume dem hell angestrahlten Palast zu. Er stand an der Stelle, wo der Reformator Savonarola verbrannt worden war, und schaute zu der Fensteröffnung empor, wo einer seiner Vorfahren sein Leben ausgehaucht hatte. Dort oben, aus dem hohen Fenster, war Francesco de’ Pazzi nackt, mit einem Strick um den Hals, geworfen worden. Sich drehend und krümmend war er vor der rauhen Wand eines elenden Todes gestorben. Der Erzbischof, in vollem Ornat neben ihm hängend, hatte keinen geistlichen Beistand bieten können. Mit aus den Höhlen tretenden Augen, um Luft ringend, hatte er in seinem Todeskampf die Zähne in Pazzis Fleisch verbissen. Die gesamte Pazzi-Familie war an diesem Sonntag, dem 26. April 1478, wegen der Ermordung von Guliano de’ Medici und des Anschlags auf Lorenzo Il Magnifico während der Heiligen Messe in der Kathedrale entehrt worden. Rinaldo Pazzi, ein Pazzi der reinsten Sorte, der die Regierung ebenso haßte wie sein Vorfahre, der in Ungnade gefallen und vom Glück verlassen war, der buchstäblich schon das Beil fallen hörte, war an diesen Ort gekommen, um für sich eine Entscheidung zu treffen, wie mit dem letzten, ihm noch verbliebenen Quäntchen Glück am besten zu verfahren sei. Chefinspektor Pazzi glaubte, daß er Hannibal Lecter in Florenz gesichtet hatte. Er hatte plötzlich die Gelegenheit, nicht nur die verlorengegangene Reputation wiederzuerlangen, sondern sich auch wieder der Anerkennung der Kollegen zu versichern, wenn er diesen Teufel in Menschengestalt fing. Pazzi hatte zudem die Option, Hannibal Lecter für einen Betrag, der seine kühnsten Träume überstieg, an Mason Verger zu verkaufen - wenn der Verdächtige tatsächlich Lecter war. Natürlich würde Pazzi damit auch seine beschädigte Ehre verkaufen. Pazzi war nicht umsonst zum Leiter der Ermittlungsabteilung in der Questura aufgestiegen er war hoch begabt und während seiner Zeit dort von der Gier nach beruflichem Erfolg getrieben.

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