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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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vollkommen zu Recht -, daß Dr. Lecter nach seiner Flucht zuerst einen Zwischenstopp in Südamerika eingelegt hatte. Aber von Anbeginn an war er davon überzeugt gewesen, daß sich ein Mann der gehobenen Lebensart wie Dr. Lecter in Europa niederlassen würde. Er sandte darum jährlich Späher zu den Festspielen nach Salzburg und zu anderen kulturellen
Großereignissen in Europa. Seinen Züchtern auf Sardinien hingegen schickte er etwas Anderes, um die Bühne für den Tod von Dr. Lecter einzurichten: das Riesenwildschwein Hylochoerus meinertzhageni, sechs Zitzen und achtunddreißig Chromosomen, ein wendiger und opportunistischer Allesfresser - wie der Mensch. Als Hochlandzüchtung zwei Meter lang, wiegt es ungefähr 275 Kilogramm. Das Riesenwildschwein markiert den Grundton. Der klassische europäische Keiler, S. scrofa scrofa, sechsunddreißig Chromosomen in seiner reinsten Form, keine Warzen im Gesicht, nur Borsten und große Hauer, ein großes und schnelles Tier, das eine Viper mit seinen scharfen Hufen tötet und die Schlange frißt wie ein Slim Jim. Falls es erregt oder in der Brunft ist oder glaubt, seine Jungen schützen zu müssen, greift es alles an, was es als Bedrohung auffaßt. Mit S. scrofa scrofa fand Mason sein Thema und das Antlitz eines Tieres, das ihm geeignet erschien, Dr. Lecter eine letzte höllische Vision seiner selbst als Speise zu bereiten. (Siehe Harris on the Pig, 1881.) Das Ossabaw-Island-Schwein kaufte er seiner Aggressivität und das Jiaxing Black seines hohen Estradiol-Spiegels wegen. Eine falsche Note ergab sich, als er das Babirusa, Babyrousa babyrussa, aus Ost-Indonesien, seiner übergroßen Hauer wegen auch unter dem Namen Schweinehirsch bekannt, in die Zucht einführte. Es war ein Tier, das sich nur langsam fortpflanzte, und hatte lediglich zwei Zitzen. Darüber hinaus brachte es mit seinen hundert Kilogramm einen zu großen Verlust an Gewicht. Sie verloren keine Zeit, da es parallel dazu andere Würfe gab, die keinen Anteil Babirusa enthielten. Was das Gebiß anging, hatte Mason Verger keine sonderlich große Auswahl. Beinahe jede Rasse verfügte über Zähne, die der Aufgabe gerecht werden würden: drei Paar scharfe Schneidezähne, ein Paar verlängerte Eckzähne, vier Paar Vorbackenzähne und drei Paar alles zermalmende Backenzähne, oben und unten, alles in allem vierundvierzig Zähne. Jedes Schwein wird einen toten Mann fressen. Aber um es so weit zu bringen, daß es einen lebenden Mann frißt, bedarf es einiger Erziehung. Mason Vergers Sarden waren dafür genau die richtigen. Nun, nach sieben langen Jahren und endlos vielen Würfen, präsentierten sie ein ... beeindruckendes Ergebnis.

KAPITEL 16
    Nachdem mit Ausnahme von Dr. Lecter sämtliche Akteure ihre Ausgangspositionen in den Gennargentu-Bergen von Sardinien eingenommen hatten, wandte Mason Verger seine Aufmerksamkeit der Aufzeichnung von Dr. Lecters Tod für die Nachwelt und sein eigenes Vergnügen zu. Die entsprechenden Vorkehrungen waren schon vor langer Zeit getroffen worden, aber nun mußten die Sarden in Alarmbereitschaft versetzt werden. Er erledigte diese delikate Angelegenheit per Telefon über die Zentrale seines Wettbüros in Las Vegas. Winzigen Leuchtspuren gleich verloren sich seine Telefonate in dem wie an jedem Wochenende riesigen
Gesprächsaufkommen. Masons sonore Stimme, vermindert um Explosiv- und Zischlaute, sprang vom Naturschutzgebiet nahe dem Ufer der Chesapeake Bay in die Wüste und wieder zurück über den Atlantik, zuerst nach Rom. In einer Wohnung im siebten Stock eines Gebäudes in der Via Archimede, hinter dem Hotel gleichen Namens, klingelte das Telefon. Der heisere, für Italien typische Ton. In der Dunkelheit schläfrige Stimmen. »Cosa? Cosa c e?« »Accendi la luce, idiota.« Das Licht neben dem Bett geht an. Drei Leute liegen in dem Bett. Der junge Mann, der dem Telefon am nächsten liegt, nimmt den Hörer ab und gibt ihn an einen korpulenten älteren Mann in der Mitte weiter. Auf der anderen Seite liegt ein blondes Mädchen, Anfang Zwanzig. Sie hebt kurz ihr schlaftrunkenes Gesicht und schlummert dann sofort wieder ein. »Pronto, chi? Chi parla?« »Oreste, mein Freund. Hier spricht Mason.« Der beleibte Mann sammelt sich und bedeutet dem jungen Mann, ihm ein Glas Mineralwasser einzuschenken. »Ah, Mason, mein Freund, entschuldige bitte, ich habe schon geschlafen. Wie spät ist es bei euch?« »Es ist überall spät, Oreste. Erinnerst du dich noch an das, was ich dir versprochen habe

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