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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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Olieslagers von der Stadt zurück. Er erzählte ihm, daß er Gladys gesehn habe mit einem Hauptmann. Sie habe sich verlobt, würde nächstens heiraten. Es war kein Wort davon wahr, aber er wollte seine Eifersucht wecken.
    Aber Stephe blieb völlig gleichgültig. Das interessierte ihn kein bißchen. Mochte sie doch einen andern küssen, sich ihm hingeben. Sie würde doch zu ihm kommen.
    Und der Vlame begriff: Stephe liebte Gladys Paschitsch, o ja! Aber: In der Lebenden liebte er dennoch nur – – die künftige Tote.
    Die allein. Auf die wartete er durch den langen Winter, durch den Frühling und Sommer. Ihr blieb er treu, und für sie fastete er und kasteite seinen Leib. Denn sie würde kommen – sie mußte kommen. Das wußte er ganz gewiß.
     
    Und sie kam, Gladys Paschitsch.
    In diesem Spätsommer des letzten Kriegsjahres zog eine Seuche über den Kontinent, die die Leute die spanische Influenza nannten. Es sei nur eine Grippe, sagten die Zeitungen, freilich eine recht gefährliche. Viele Leichen wurden blauschwarz – davon schrieben die Zeitungen nichts. Aber jeder wußte es. Und die Menschen starben. Und die Totengräber hatten zu tun.
    Auch ins Ägypterland kam die spanische Grippe. Auch nach Andernach. Hundert Soldaten gab man dem alten Pawlaczek zur Hilfe; die schnitten Bretter, schlugen Särge zusammen. Fuhren sie mit Karren durch die Stadt, sammelten die Leichen; gruben Gräber und scharrten sie zu. Tagsüber, nachtsüber – ununterbrochen. Und Stephe und Mike und die andern – jeder kommandierte ein Dutzend amerikanische Soldaten. Die lärmten und sangen, und der stille Friedhof hallte von ihrem Gebrüll. Es war nicht sehr patriotisch, was sie sangen.
    Das alte Beinhaus war überfüllt von Gästen, wie die Kapelle; immer wurden Särge hineingebracht und andere herausgeholt.
    Es war aus mit dem Frieden und aller Ruhe. Jan Olieslagers dachte, daß vielleicht eine stille Gefängniszelle besser gewesen wäre. Aber Stephe lächelte vor sich hin – das große Sterben war da, und sie würde kommen – sie mußte kommen.
    Jeden Morgen und jeden Abend, wenn der Vlame die Zeitung las, mußte er nun die Spalten durchsehn mit den Namen der Verstorbenen, mußte sie laut vorlesen. Stephe kannte ihren Namen gut: Gladys Paschitsch.
    Doch war es nicht in dieser Spalte, wo Olieslagers zuerst den Namen fand. Vielmehr vorn auf der ersten Seite – und es war ein ganzer Artikel, der von ihr sprach. So voll klang schon der Name in der Stadt. Sie sei erkrankt, hieß es. Doch sei nichts Ernstes zu befürchten.
    Aber schon am Abend war sie tot.
    Nun geriet Stephe in eine seltene Unruhe und Aufregung, die sich steigerte mit jeder Stunde. Sie mußte kommen – es war strengste Anweisung der Sanitätspolizei, daß alle Leichen sobald wie tunlich aus den Wohnungen herausgeschafft werden müßten. Aber der Morgen verging und der Nachmittag und der Abend –
    Dann, nach zehn Uhr, kam der alte Pawlaczek zum Beinhaus. „Mike!“ rief er, „Stephe!“ Stephe stellte den siedenden Teekessel hin, seine Hände zitterten. „Sie kommt“, flüsterte er, „sie kommt.“ Rannte hinaus zum Baas.
    Er hatte recht. „Sie kam“ – war schon im Anzüge von der Stadt her. So gewichtig war der schwere Reichtum des Paschitsch, daß sein Wille das Niedagewesene möglich machte: Eine Nachtfeierlichkeit in der Kapelle. Nun galt es, die Kapelle auszuräumen; der Alte nahm Stephe gleich mit, während er Mike ausschickte, ein Dutzend Soldaten zu holen, die in schnell aufgeschlagenen Zelten beim Kirchhoftor kampierten.
    Man trug die vollen Särge aus der Kapelle ins Beinhaus, schichtete sie dort zu dreien und vieren übereinander, man schleppte die Kübel mit Pflanzen und Gewächsen heran, die zu jeder Feierlichkeit aufgebaut wurden, richtete alles her, wie es sich gehörte. Endlich kam die Trauergesellschaft, ein Wagen um den andern. Man bahrte den Sarg auf, der bereits geschlossen war. Stephe kannte ihn gut: Es war der reich mit Silber beschlagene Prachtsarg, der schon seit Jahren das Schaufenster des Leichenbesorgers in der Stadt zierte. Jetzt hatte er endlich einen Käufer gefunden, und es deuchte Stephe, als ob es so hätte sein müssen und als ob kein anderer in diesem Sarge hätte ruhen dürfen.
    Aber noch fand die Feierlichkeit nicht statt. Man mußte erst auf den Geistlichen warten, dann auf die Vorsitzende des Frauenklubs, dann wieder – hin und zurück von der Stadt fuhren die Wagen.
    Es war zwei Uhr vorbei, als man anfing; und dann

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