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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Angreifers; seit dieser ihn getreten hatte, hatte der Hund stets geknurrt, wenn Nikolas in die Nähe gekommen war. Der Lärm hatte nun auch Hartwig Vresdorp, Rotger und Jost angelockt. Jost riss Nikolas zurück und zog ihn aus der Kammer. Henrike schlug schwer atmend die Tür hinter ihnen zu.
    Mühsam kam Asta hoch, ihre Lippe blutete. »Jetzt reicht es aber«, sagte sie ingrimmig. »Nein. Es reicht schon lange.«
    ~~~
    Schwarzgrauer Matsch lag auf den Straßen, und selbst ihre Trippen verhinderten nicht, dass er ihre Füße nässte und den Kleidersaum durchweichte. Dabei schneite es schon wieder, doch kaum berührten die Flocken die Erde, schmolzen sie dahin. Asta hielt sich an Henrike fest. Die Wege waren an einigen Stellen tückisch glatt. Einige Male schon waren sie fast ausgerutscht und hingefallen. Obgleich die Straßen trist aussahen, war Henrike zutiefst erleichtert. Nikolas war fort, er ging in Wismar und Stralsund Geschäften nach, hieß es. Er konnte ihr nicht mehr gefährlich werden, vorerst zumindest. Außerdem würde sie heute endlich in das Testament ihres Vaters eingeweiht werden.
    Nach kurzer Zeit hatten sie die Königstraße erreicht und klopften an das Haus des Ratsherrn Diercksen, den ihr Vater zu einem der Testamentsverwalter bestimmt hatte. Sie wurden in eine dumpfige Schreibstube geführt. Jeder konnte sofort sehen, dass Diercksen vorwiegend mit Metallen handelte: Überall befanden sich Kannen aus Kupfer, zinnerne Teller, blanke Harnische oder Prunkschwerter. Der Ratsherr saß mit einem anderen Mann an einem großen Tisch. Dieser hielt ein Wachstafelbüchlein sowie ein Brett vor sich, auf dem Wappen abgebildet waren. Henrike kam er bekannt vor. Sie hatte ihn einmal in ihrem Hause gesehen, aber nicht gewusst, dass er Schildermaler war. Bruno Diercksen verabschiedete den Mann und erhob sich schwerfällig. Sein Bauch hing weit über die Hüften, ohne seinen Stock wäre er sicher umgefallen.
    »Ich habe von eurem Ansinnen gehört, Domina Asta und Jungfer Henrike. Ihr könnt Euch glücklich schätzen, dass ich mir die Zeit nehme, Euch das Testament noch einmal zu verlesen«, begrüßte Diercksen die Frauen. Sein Atem rasselte bei diesen Worten. Schnell ließ er sich wieder in seinen Armstuhl fallen, der unter seinem Gewicht leise knarzte. »Bald hätte ich wohl kaum mehr Zeit dafür gefunden«, fügte er geheimnisvoll hinzu.
    Stimmte also das Gerücht, das Diercksen ein weiterer Bürgermeister Lübecks werden könnte? Aber warum nicht? Er war kenntnisreich und welterfahren, auch ihr Vater hatte ihn oft zu Rate gezogen. Andererseits war er alt und unbeweglich   – als Bürgermeister müsste er viel unterwegs sein. Außerdem hatte Lübeck bereits vier Bürgermeister. Obgleich, fiel ihr jetzt ein, es auch schon früher mehr als vier gegeben hatte. Und vielleicht erforderte die Kriegsgefahr einen weiteren Politiker an der Spitze des Stadtrates.
    Bedächtig strich Bruno Diercksen durch seinen Backenbart. »Es ist ja nicht so, dass ich nicht genug zu tun hätte   – die Armenstiftung, die Kirchenstiftung, der Rat. Aber ich hoffe, dass meine Wenigkeit der Allgemeinheit auch noch anders von Nutzen sein könnte.« Er zog eine Schale mit Konfekt heran, pickte ein Stück heraus und bot sie auch den Frauen an, die dankend ablehnten.
    »Ich weiß Euer Bemühen zu schätzen, hoher Herr. Gott wird Euch die Ehre, die ihr anstrebt, gewiss nicht verweigern«, sagte Asta artig.
    Sie hatte also auch von dem Gerücht gehört. Das war nicht erstaunlich, denn jedes Mal, wenn Henrike mit ihrer Tante durch die Stadt lief, kam sie mit wildfremden Menschen ins Gespräch; diese Redseligkeit hatte sie Asta gar nicht zugetraut. Eine Plauderei über das Wetter führte bei ihr im Handumdrehen zum Austausch von Neuigkeiten und Klatsch. Der Ratsherr nahm ihre Worte wohlwollend zur Kenntnis und rief seinem Gehilfen zu, dass er die Pergamente bringen solle. Ein kleiner Mann mit öligem Haar kam leichtfüßig herbei, die Pergamentrollen vorsichtig auf seinen Armen haltend wie ein Kind. Diercksen zog eine hervor und rollte sie auf, das Pergament war mit einer gezackten Kante versehen.
    »An diesem Kerbschnitt erkennt ihr, dass es sich um eine echte Urkunde handelt. Zwei Exemplare sind im Rathaus hinterlegt, eine befindet sich in meinem Besitz, es hat also alles seine Richtigkeit.« Er räusperte sich heftig. »In nomine domini«, begann er, »wolmechtich miner Danken, miner Sinne und miner Redelichkeit   ...«
    Es schien eine

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