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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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es vor, als ob all ihr Blut in ihren Kopfschoss. Sie musste an ihre letzte Begegnung denken. Wie hatte sie sich nur benommen! Es wurde Zeit, dass sie sich dafür entschuldigte. Plötzlich kam Adrian Vanderen auf sie zu. Er würde sie doch nicht etwa ansprechen? Dann liefe sie Gefahr, aufs Neue den Zorn ihres Onkels auf sich zu ziehen! Aufgewühlt starrte sie auf ihre Fußspitzen. Tatsächlich hielt er bei ihrem Onkel an, der sich mit Ratsherr Diercksen unterhalten hatte.
    »Ich wollte mich erkundigen, ob es Eurem Mündel Simon besser geht, Herr Vresdorp«, vernahm Henrike seine tiefe Stimme und den weichen süddeutschen Zungenschlag.
    »Ich wüsste nicht, was Euch das angeht«, antwortete ihr Onkel mürrisch.
    Erbost hob Henrike den Blick. Wie unfreundlich er war! Sollte sie etwas sagen?
    Doch Asta kam ihr zuvor. »Er ist auf dem Weg der Besserung«, sagte sie, dann warf sie Hartwig Vresdorp einen entschuldigenden Blick zu. »Verzeiht das vorlaute Benehmen einer alten Frau. Ich bin die Gepflogenheiten der Stadt einfach nicht mehr gewöhnt.«
    Adrian lächelte Asta an. »Es freut mich sehr, das zu hören«, sagte er und richtete das Wort nun an Henrike, die dies gleichzeitig gehofft und gefürchtet hatte. »Schön, dass Ihr wieder da sein. Willkommen zurück.«
    Sie schlug die Augen nieder, damit man ihr die Aufregung nicht sofort ansah, doch es war offenbar schon zu spät. Verbittert starrte Nikolas sie an.
    Asta und sie plauderten noch eine Weile mit anderen jungen Frauen, die beiläufig Henrikes bestickten Gürtel bewunderten. Er war unter ihrem offenen Umhang gut zu sehen und passte ausgezeichnet zu ihrem Kleid. Auf dem Rückweg hakte sich Tante Asta bei Henrike ein.
    »Wer war der Mann, der sich so zuvorkommend nach Simon erkundigt hat?«, wollte sie wissen.
    »Ich erwähnte ihn einmal«, sagte Henrike und rief Asta Vaters Geschäfte und Adrians Rolle bei den Ereignissen des letzten Herbstes wieder ins Gedächtnis. Waren seitdem wirklich schon beinahe vier Monate vergangen?
    »Ein gut aussehender und fein gekleideter Mann«, sagte Asta. Als sie Henrikes Erstaunen bemerkte, lächelte sie spitzbübisch. »Du musst nicht glauben, dass ich keinen Sinn dafür habe, nur weil ich mir geschworen habe, mein Herz nie wieder zu verlieren.«
    ~~~
    »Was bildet sich dieser Vanderen eigentlich ein? Er benimmt sich ja, als sei er ein Lübecker Bürger!«, schimpfte Nikolas und warf einen abgenagten Knochen auf den Tisch.
    Henrike hatte geahnt, dass die Begegnung vor der Kirche einen Wutausbruch nach sich ziehen würde. Ohnehin war es für sie eine Qual, mit Nikolas an einem Tisch sitzen zu müssen. Konzentriert schob sie das Brot durch die Tunke auf ihrem Teller, in der Hoffnung, dass sein Zorn nicht sie traf. Hartwig Vresdorp spülte seinen Bissen mit einem tiefen Schluck Wein herunter und rülpste laut. Seine Frau warf ihm einen angewiderten Blick zu. Mit schmerzerfülltem Gesicht knetete sie ihre geschwollenen Finger.
    »Das ist er doch, weißt du das noch nicht?«, sagte sie gequält. »Gerade hat er ein Haus gekauft, in der Mengstraße natürlich. Wie er da wohl rangekommen ist? Und nun sucht er eine Frau.«
    Henrike horchte auf. Natürlich würde Adrian Vanderen heiraten, dachte sie mit einem Hauch Wehmut. Ihre Tante hatte ihre Hände unter die Tischplatte gezogen. Das Gesicht war plötzlich weicher geworden. Was hatte sie bloß auf den Oberschenkeln? Henrike spähte unauffällig auf den Schoß ihrer Tante. Es war ein schwarz-weiß gemustertes Fell, in das Ilsebe ihre Hände gewickelt hatte. Henrike ließ sich zurücksinken. Jetzt wusste sie auch, wo die jungen Kätzchen geblieben waren.
    Nikolas langte noch einmal zu. »Unsere Telse bekommt er jedenfalls nicht. Oder, Vater? Andererseits haben wir bei der Visage nicht gerade freie Auswahl«, sagte er grob und umfasste mit seinen fettigen Fingern das Kinn seiner Schwester. Telse gab lediglich einen matten Laut von sich. Henrike tat sie einfach nur leid. Wie gemein ihr Vetter war!
    Hartwig Vresdorp löste mit den Zähnen das Fleisch vom Knochen, kaute ein wenig und meinte dann mit vollem Mund: »Ein dahergelaufener Kaufmann, der uns die Geschäfte kaputt macht, kommt mir nicht ins Haus. Für Telse habe ich jemanden anderen im Sinn.«
    Die junge Frau hatte sich aus dem Griff ihres Bruders gelöst und sah ihren Vater großäugig an. Ilsebe kam ihrem Mann mit ihrer Antwort jedoch zuvor. »Wir verhandeln gerade mit Bruno Diercksen, vielleicht werden wir uns einig. Vicus ist

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