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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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davon gesagt. Ohne Beweis jemanden zu beschuldigen ist Verleumdung und könnte gegen mich verwendet werden. Wir müssten erst mehr herausfinden. Aber das ist nicht so einfach.«
    Henrike war sich sicher, dass Nikolas dahintersteckte. Die Vorstellung, ihn einfach so davonkommen zu lassen, gefiel ihr ganz und gar nicht. Die Bänder schnitten inzwischen in ihre Haut. Behutsam löste Asta ihre Finger.
    »Für jede Ware gibt es einen Käufer, für jede Untat eine Strafe. Nikolas wird die seine schon bekommen, glaube mir«, sagte sie überzeugt.
    Henrike hoffte von Herzen, dass die Worte ihrer Tante wahr werden würden.
    ~~~
    Als sie in der Diele auf ihren Onkel traf, wirkte er fahrig. Sein Kragen war falsch umgeschlagen, die Haare sahen aus, als ob er sie eben gerauft hätte, an den Fingern hatte er Tintenflecke. Sie hatte sich einige Sätze für ihn zurechtgelegt, um zu erklären, was eigentlich keiner Erklärung bedurfte. Sie setzte gerade zu sprechen an, als er zur Tür lief. Sie solle es ihm auf dem Weg in die Kirche sagen.
    Ilsebe Vresdorp stürzte auf ihren Mann zu und zerrte an ihm herum, damit er einen vernünftigen Eindruck machte. Sie selbst war herausgeputzt, auf ihrer Brust prangte ein großes goldenes Kreuz. Hartwig stieß sie von sich weg, lallte unwirsch, er hatte wohl getrunken. Ilsebe sah Henrike vorwurfsvoll an, als ob diese etwas für die harsche Abfuhr konnte. Henrike hatte ihre Tante bislang kaum eines Blickes gewürdigt und auch nur wenige Worte mit ihr gewechselt. Nun kamen auch Telse und Nikolas ausgehbereit hinzu. Ihr Vetter musterte Henrike unverfroren, sagte jedoch nichts. Hartwig Vresdorp lief auf die Straße hinaus, ging unkontrolliert mal schneller, mal langsamer. Henrike mühte sich, mit ihm Schritt zu halten.
    »In der Abgeschiedenheit des Hofes konnte ich mich mit Vaters Tod abfinden. Ich habe dort meine Ruhe wiedergefunden, Onkel«, sagte sie. Hartwig Vresdorp warf ihr im Gehen einen forschenden Blick zu. »Ich will mich fügen, möchte einzig in meinem Elternhaus sein, bei meinem Bruder«, fuhr Henrike fort.
    Das Tor der Marienkirche kam in Sicht, vor ihr tummelten sich bereits die würdigen Patrizier mit ihren Familien.
    »Nimm dich nur nicht zu wichtig, Mädchen«, schnitt Hartwig Vresdorp ihr das Wort ab. »Am besten ist es, Frauen fallen gar nicht auf. Ich will keine Klagen mehr hören. Ich habe auch so schon genug Ärger am Hals«, brummte er. Tante Ilsebe schob sich heran, drängte Henrike von der Seite ihres Mannes. Henrike ließ sich zurückfallen und schloss sich Asta an. Auf welchenÄrger hatte ihr Onkel eben angespielt? Einerlei, die erste Hürde war genommen.
    Sie waren etwas zu früh an der Kirche, bis zum Beginn des Gottesdienstes war noch Zeit. Henrike ging mit Asta zu dem Grab ihres Vaters auf dem Marienkirchhof und legte eine hübsche Ostseemuschel darauf. Sie war nun ruhiger bei dem Gedanken an seinen Tod. Seine Seele hatte ihren Frieden gefunden, das glaubte sie fest. Er selbst lebte ja auch in ihrem Herzen weiter. Ein Gebet noch, und schon war es Zeit, zurückzugehen. Die Glocke läutete, die meisten Gläubigen waren bereits eingetreten. Sie sah viele bekannte Gesichter, bemerkte auch verstohlene Blicke   – den Leuten war aufgefallen, dass sie länger fort gewesen war. Henrike ertappte sich dabei, in der Menge nach einem bestimmten Gesicht zu suchen. Ob Adrian Vanderen wohl auch hier war? Dort hinten   – war er das nicht? Ihr Herz tat einen Sprung. Doch nein, es war nur ein Mann, der ihm ähnlich sah. Sie spürte einen Stich.
    Als der Gottesdienst begann, ließ sie sich mit allen Sinnen darauf ein. Ihr ganzes Leben lang war sie jeden Tag in diese Kirche gekommen. Sie hatte die feierliche Stimmung vermisst, die sich in diesem Ehrfurcht gebietenden Gebäude einstellte. Im Mittelpunkt dieser Messe stand die erste der drei Fürbitten vor der Ratswahl, und Kummer überfiel sie, als sie an ihren Vater dachte. Bald würde ein anderer seinen Platz einnehmen.
    Nach der Messe strömten die Gläubigen hinaus, um vor den Kirchentoren noch etwas zu plaudern. Gerade für die Frauen, die die meiste Zeit in ihrem Haus verbrachten, war das Geplänkel danach wichtiger als der eigentliche Gottesdienst. Wieder suchte sie nach Adrian Vanderens schlanker und hoher Gestalt.
    Da sträubten sich die Härchen in ihrem Nacken, und sie hatte wieder dieses unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden. Ängstlich drehte sie sich um. Ein Blick traf sie, warm und strahlend   – Adrian! Ihr kam

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