Hansetochter
eine gute Partie, könnte bald eine noch bessere sein. Aber wir sind auch im Gespräch mit einem Böttchermeister in Stralsund. Hätte auch Vorteile für uns.«
Henrike beobachtete, wie Telse diese Nachricht aufnahm. Das Gesicht ihrer Base erblasste. Sie schob den Stuhl vom Tisch, bat um Verzeihung und rannte hinaus.
»Was hat sie denn?«, fragte Hartwig Vresdorp verständnislos.
»Weiber«, antwortete Nikolas nur und grinste Henrike an.
Sie legte etwas Fleisch und einige Scheiben Brot auf ihren Teller und erhob sich. »Entschuldigt mich, ich werde Simon sein Essen bringen«, sagte sie.
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Es dauerte eine Weile, bis sie Telse gefunden hatte. Ihre Base hatte sich im Hinterhof in einem Mauerschatten versteckt undweinte. Als sie Henrike bemerkte, versuchte sie ihre Tränen zu verbergen. Henrike stellte den Teller auf einen Vorsprung und strich ihr über den Rücken. Auch wenn sie enttäuscht gewesen war, weil Telse sich nicht mehr um sie gekümmert hatte, mochte sie die junge Frau doch nicht weinen sehen.
»Ich finde ihn fürchterlich, den Vicus«, schniefte Telse schließlich. »Er ist unansehnlich und grob.« Henrike löste den Griff und sah ihr in die Augen. Ihre Base brauchte Zuspruch. Vielleicht konnte sie ihr helfen.
»Du musst ihn nicht nehmen, wenn du nicht willst«, sagte sie. Telse riss sich los, sah sie aus brennenden Augen an.
»Als ob der Tonnenböttcher besser wäre. Den kenne ich nicht einmal! Aber es ist typisch, dass du das sagst! Von dir kann man nichts anderes erwarten! Meinst du wirklich, ich nehme einen Rat von dir an?«
Henrike war von der heftigen Reaktion wie vor den Kopf geschlagen. Was meinte sie damit? »Wieso denn nicht? Ich bin deine Base.«
Telse gab einen Laut von sich, der wie ein Lachen klingen sollte, aber keines war. »Du bist auf dem besten Wege, dich zum Gespött zu machen. Niemand wird dich mehr haben wollen, wenn du weiter so widerspenstig bist. Und wenn es stimmt, was Nikolas gesagt hat ...«
Henrike fiel ihr ins Wort. Sie hatte befürchtet, dass Nikolas es nicht dabei belassen würde. »Was hat er denn gesagt?«
Telse mied ihren Blick. »Dass du die Männer verführst. Wie Gesche, dieses Luder!«
Henrike gab ihrer Base eine Ohrfeige. Die beiden Frauen starrten sich an. Voller Scham über sich selbst schlug Henrike die Hände vor ihren Mund. Wie hatte sie ihre Base schlagen können? Aber ihre Äußerung war einfach zu verletzend gewesen!
Telse war wie erstarrt, abwesend, als habe sie etwas gesehen, was sie vorher noch nicht bemerkt hatte.
»Was ist denn mit deinen Fingern geschehen?«, fragte sie beinahe tonlos.
Henrike verschränkte die Arme und verbarg ihre Hände in ihren Ärmeln. »Jemand hat mich überfallen. Nachdem Nikolas versucht hat, mir Gewalt anzutun«, sagte sie fest.
»Das hat er nicht!«
»Du weißt, wie er ist. Du weißt, dass es stimmt.«
Telse begann zu greinen wie ein Kind. »Du lügst, Henrike«, sagte sie, aber ihre Stimme klang wenig überzeugt.
Henrike nahm den Teller wieder auf. Sie sollte endlich zu Simon gehen. Vielleicht brauchte Telse etwas Zeit, um zur Besinnung zu kommen. Dann würde sie sich sicher auch bei ihr entschuldigen.
»Wenn du Vicus nicht willst, dann sag es deinem Vater. Er kann dich nicht gegen deinen Willen verheiraten.«
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Asta hatte Simon bereits etwas zu sssen gebracht. Kräftig langte der Junge zu. ›Bei dem guten Appetit, den er an den Tag legt, wird er meine Portion auch noch schaffen‹, freute sich Henrike und spürte, wie die Erleichterung über Simons Gesundung die Erbitterung über Telses Worte milderte. Ihre Tante erzählte gerade aus der Gotlandsaga. Still setzte Henrike sich mit auf das Bett und lauschte. Sie war noch ganz erschüttert von der Szene im Hof, deshalb tat es ihr gut, Simons Nähe zu spüren und die warme Stimme ihrer Tante zu hören. Mit einem Mal schlug die Tür krachend auf. Alle fuhren zusammen, Griseus kläffte erschrocken. Nikolas stürzte herein. Bevor noch jemand wusste, wie ihnen geschah, hatte er Henrike schon an den Haaren gepackt und vom Bett gezerrt.
»Jetzt wiegelst du noch meine Schwester gegen mich auf! Du wirst keine Lügengeschichten mehr über mich erzählen!«, schrieer und schwang seine Faust gegen sie. Asta versuchte, ihm in den Arm zu fallen, doch Nikolas stieß sie einfach zu Boden. Simon krabbelte aus dem Bett, wollte ihn aufhalten, aber er wurde ebenfalls weggeschlagen. Da kam ein grauer Schatten auf sie zugeflogen. Griseus verbiss sich in den Arm des
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