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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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bekam es der Mann mit der Angst zu tun. »Grapengeter hat uns geschickt. Er hat uns gezwungen, euch zu überfallen. Er würde sonst unsere Frauen und Kinder totprügeln, hat er gesagt. Wir konnten nicht anders, wir hatten keine Wahl.«
    Der Verwalter also! Henrike ballte die Fäuste. Sie hatte es befürchtet.
    Der Mann begann jetzt zu greinen.
    Adrian stand auf, sah voller Ekel auf ihn hinab. »Man hat immer eine Wahl, immer«, sagte er. »Lass uns schnell weiterreiten, bevor noch mehr passiert.«
    ~~~
    Aus jedem Fenster ihres Elternhauses fiel Licht auf die Straße. An den Haltern neben der Tür steckten brennende Fackeln. Das konnte nur eines bedeuten: ihre Tante oder ihr Onkel waren wieder da. Janne rannte in Richtung des Hauses, sie konnte es sichtlich kaum erwarten, hinter die schützenden Mauern zu treten. Den geständigen Angreifer hatten sie am Stadttor den Bütteln überstellt.
    Henrike war, als schnürte ein eiserner Reif ihre Brust ein. Gleich würde Adrian sie verlassen müssen, gleich würde der Trott des Alltags sie wieder ergreifen, unausweichlich   – wenn ihr nicht gar Schlimmeres drohte. Sie dachte an ihre unbändige Freude über den gemeinsam ausgestandenen Kampf, an ihren Kuss. Ob er Adrian auch so viel bedeutete wie ihr? Auch beschäftigte ein Teil des Gesprächs mit Sasse sie noch immer.
    »Was hat es bloß damit auf sich, dass Sasse meinte, Tante Ilsebe habe einen Ratsherrn zu Fall gebracht? Meinte er meinen Vater?«, fragte sie, auch, um den Abschied von Adrian hinauszuzögern.
    Adrian wandte sich ihr zu, sein Blick wanderte prüfend über ihr Gesicht. Er wollte etwas sagen, schwieg aber doch. Ihre Blicke trafen sich, versanken ineinander. Henrikes Knie wurden weich. Seine Lippen auf den ihren   ...
    »Der Kuss   ...«, begann sie.
    Er strich sich fahrig über die Kratzer in seinem Gesicht. »Wir hätten nicht   ... Du hast dich mir anvertraut. Ich hätte nicht   ... Es war ein Fehler.«
    Sie war verwirrt. Als tugendhafte junge Frau hätte sie sich niemals zu der Umarmung hinreißen lassen dürfen, andererseits hatte sie in letzter Zeit so oft gegen die Regeln des Anstands verstoßen, dass sie sich langsam daran gewöhnte, anders zu sein. Aber wenn er es als einen Fehler ansah, durfte sie ihn nicht weiter bedrängen. Dabei war es ihr vorgekommen, als habe auch er die Umarmung genossen!
    Enttäuscht hielt sie die Luft an, senkte ihr Haupt und atmete langsam wieder aus. Sie zwang sich, ruhig und beherrscht zu klingen: »Ich möchte dir für alles danken. Ich weiß nicht, wie ich es ohne dich geschafft hätte.«
    Er lächelte sie an, ehrlich und unverstellt. »Irgendwie hättest du es ganz sicher geschafft.«
    »Das Geld, das du in Travemünde für uns ausgegeben hast   ... Ich werde es dir zurückzahlen, so schnell ich kann. Ich habe noch Schmuck, den kann ich verkaufen.«
    Er winkte ab, als spielte es keine große Rolle. »Das hat keine Eile. Mach dir darüber keine Gedanken.«
    Aus dem Haus waren jetzt Geräusche zu hören. Es wurde Zeit, dass sie hineinging.
    »Wenn du meinen Rat willst: Du solltest deiner Tante noch nicht sagen, was du herausgefunden hast. Es würde deine Lage nur noch erschweren. Sie scheint unberechenbar zu sein«, sagte Adrian.
    Still nickte sie, überlegte einen Augenblick. »Würdest du mich wohl noch zu Symon Swerting begleiten? Wer weiß, ob ich später noch Gelegenheit haben werde, ihn aufzusuchen, wenn ich meinen Verwandten erst Rechenschaft abgelegt habe.«
    Sie sah Adrian von der Seite an, seine Miene war ernst. Er wusste, dass sie die Lage realistisch einschätzte.
    Sie hatten Glück. Der Bürgermeister war im Hause, auch wenn er gerade auf dem Sprung war. Symon Swerting empfing sie in der Diele, wo ein Diener ihm half, in seinen Ratsmantel zu schlüpfen. Henrike berichtete von dem Überfall auf den Gutshof, von dem brutalen Verwalter, von Astas Zustand und ließ auch ihren Besuch bei dem Vogt nicht aus. Symon Swerting hörte schweigend zu. Sie konnte nicht in seinem Gesicht lesen, was ihre Nervosität nur verstärkte.
    Als er endlich sprach, ließen seine Worte sie hoffen. »Was Ihr berichtet, Jungfrau Henrike, ist unerhört. Ich kenne Eure Tantenoch aus Wisby und weiß, dass sie eine rechtschaffene Frau ist. Ich werde die Angelegenheit so schnell wie möglich prüfen.« Swerting baute sich vor ihr auf, ehrfurchtgebietend in seiner Bürgermeisterrobe. »Euer Benehmen lässt allerdings, gelinde gesagt, zu wünschen übrig. Man hätte Euch schon lange zur

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