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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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sank Henrike in sich zusammen. Noch mehr Lügen, noch mehr Verleumdungen, die ihr die Kraft nehmen sollten. Das Pfeifen in ihren Ohren nahm wieder zu. Sie fühlte sich unendlich schwach und müde. Doch sie musste sich zusammenreißen.
    »Das ist gelogen«, hielt sie ihm entgegen.
    »Was meinst du denn, zwischen wessen Beinen er gestorben ist? Die schöne Mette hat er gerade vernascht, als ihn der Schlag gerührt hat.« Onkel Hartwig griff sich zwischen die Beine, umfasste genüsslich sein Gemächt.
    »Du lügst!«
    »Bist du wirklich so einfältig, oder stellst du dich nur so? Wir haben die Leiche deines Vaters nur in Windeseile nach Hause geschafft, damit es sich am Ende nicht in der ganzen Stadt herumspricht, dass der ehrwürdige Ratsherr Vresdorp sein Leben im Hurenhaus ausgehaucht hat.«
    Ihr Onkel, die Hand immer noch am Schritt, rülpste laut, dann schrie er nach Rotger. Der Gehilfe trat ein. Sein dichter Bart verriet kein Mienenspiel.
    »Schaff sie in die hinterste Kammer und sperr sie ein. Aber ohne Beutel und ihr anderes Zeug, sie braucht dort nichts. Ich geh noch mal ins Hurenhaus.«
    Rotger warf Henrike über seine Schulter und trug sie hinaus. Am Ende des Flügelbaus angekommen, stieß er die Tür der Kammer mit ihrem Rücken auf. Grob warf er sie auf das Lager und verriegelte beim Hinausgehen die Tür hinter sich.
    Henrike stöhnte vor Schmerz auf. Ihr war so schwindelig, dass sie sich kaum regen konnte. Die Bilder schoben sich ineinander: die dunklen Winkel des Zimmers, das Mondlicht, das durch die Ritzen fiel. Henrike rollte sich auf die Seite und weinte haltlos.

23
    Lübeck, März 1376
    D as Haus kam Adrian trotz der prächtigen Wandbehänge, der verzierten Truhen und zahlreichen Kissen karg und kühl vor. Er war durch die Jahre des Reisens an die verschiedenartigsten Unterkünfte gewöhnt. Dass er sich aber auch in seinem eigenen Zuhause fremd fühlen könnte, hätte er nicht gedacht. Natürlich, er wohnte noch nicht lange hier. Das Haus war noch nicht einmal fertig umgebaut. Aber es war mehr als das, was ihm die Ankunft schwer machte. Die Menschen waren es, die für eine heimelige Atmosphäre sorgten, die einen gerne nach Hause zurückkehren ließen, die einen Ort zur Heimat machten, an dem das Herz hing. Und sein Herz hing nun einmal, das konnte er sich jetzt, in der Stille seines eigenen Hauses eingestehen, an Henrike Vresdorp.
    In den letzten Wochen hatte er an der jungen Frau immer stärker Gefallen gefunden. Ihre offene Art, aber auch ihr Mut und ihre Tatkraft faszinierten ihn. Er dachte an den Kampf, den sie gemeinsam ausgetragen hatten. Große Angst hatte er um sie gehabt, sie aber hatte sich tapfer und findig selbst verteidigt. Ihre Umarmung und der flüchtige Kuss waren für ihn ebenso überraschend wie aufwühlend gewesen. Doch jede Zärtlichkeit zwischen ihnen könnte ihren Ruf gefährden, und wie verletzlich der gute Leumund einer Frau war, wusste er nur zu gut von seinen Schwestern. Und dann die Gewissensbisse! Hätte er sie nicht längst über die wahren Umstände des Todes ihres Vaters aufklären sollen? Der Behauptung ihrer Tante konnte er immer noch nachgehen, und wenn er eine Verbindung zwischen Ilsebe Vresdorp und Konrad Vredsorps Tod fand, würde er es Henrike sagen.
    Adrian bemerkte erst jetzt den Stapel Briefe, die auf dem Tisch lagen. Er wollte sie sortieren, war jedoch noch zu sehr in seinen Gedanken gefangen. Immer wieder hatte er daran gedacht, um Henrikes Hand anzuhalten. Und immer wieder hatte er dieses Verlangen von sich geschoben. Dabei war es dieses Vorhaben gewesen, das ihn ursprünglich nach Lübeck gebracht hatte, und jetzt, nachdem er sie über ein halbes Jahr kannte, wünschte er es sich mehr denn je. Dennoch war es unmöglich. Hartwig Vresdorp hatte ihm am Abend von Konrad Vresdorps Tod überdeutlich zu verstehen gegeben, dass er ihm Henrike nie geben würde. Wenn er es sich ehrlich eingestand, würde diese Heirat seine Lage auch nicht eben verbessern. Zu schwierig waren Henrikes familiäre Verhältnisse, ihre finanzielle Situation.
    Und dennoch   ...
    »Herr, endlich! Ich muss Euch so viel berichten!« Cord stand in der Tür, die Schürze um die Hüfte gebunden. Er sah betreten auf seine Hände, an denen Teig klebte, und schickte sich an, in die Küche zurückzugehen, um sich zu säubern. Adrian folgte ihm. Die Küche war frisch gefegt, die Oberflächen gewienert, doch im Herd brannte nur ein kleines Feuer. Hier war seit Tagen nicht mehr richtig gekocht

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