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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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behände holte ihr Onkel sie jedoch ein und entriss ihr den Beutel. Die Kleidung ließ er achtlos auf den Boden fallen. Grinsend zog er den Saphirring, den Armreif, die Kette und das Ledersäckchen mit den letzten Münzen hervor.
    »Hast mich bestohlen, was? Bist genauso eine Diebin wie Margarete, die alte Vettel. Nur schade, dass ich dich nicht zu ihr in den Kerker werfen kann!«
    Henrikes Herz setzte einen Schlag aus. War die alte Frau, die sie so sehr liebte, etwa im Gefängnis?
    »Wir hatten sie rausgeschmissen. Was also hatte sie in diesemHaus zu suchen? Sie konnte nur eine Diebin sein. Ich hab sie erst einmal ordentlich verprügelt. Dann hab ich die Büttel geholt.« Der Onkel schien stolz auf seine Leistung zu sein.
    »Ich hatte sie gebeten, hier zu bleiben, auf das Haus achtzugeben. Sie hat ihr halbes Leben hier verbracht. Ich musste mich doch um Tante Asta kümmern!«, warf Henrike ein.
    Hartwig Vresdorp gab Janne den Geldbeutel und hieß sie, davon Wein zu kaufen.
    »Das darfst du nicht! Es ist mein Geld. Und der Schmuck gehörte meiner Mutter, es ist mein Erbe!«, protestierte Henrike.
    »Dein Geld!« Ihr Onkel lachte hysterisch. »Ich werde dir zeigen, was dein ist.« Er versetzte ihr in schneller Folge Ohrfeigen. Henrike wurde schwarz vor Augen. Wie ein gefällter Baum fiel sie um. »Was du jetzt siehst, ist dein!«, hörte sie noch, dann übertönte das Pfeifen in ihren Ohren alle anderen Geräusche.
    ~~~
    Sie wusste nicht, wie lange sie auf den kalten Platten gelegen hatte. Als sie das Bewusstsein wiedererlangte, war da zuerst Schmerz, dann schmeckte sie Blut und spürte schließlich die Kälte, die aus dem Boden in ihre Knochen gezogen war. Kaum konnte sie die Augen öffnen. Durch den schmalen Schlitz ihrer geschwollenen Lider sah sie ihren Onkel am gedeckten Tisch sitzen, einen großen Fleischbrocken in der Hand, den er abnagte, ein gefülltes Glas neben sich. Ein unbändiger Hass erfüllte sie bei seinem Anblick.
    »Wenn Vater erleben könnte, wie du mit uns umgehst   ... Er würde dir   ... Einhalt gebieten. Du bist ein schlechter Vormund«, brachte sie mühsam hervor.
    Ihr Onkel kam schweren Schrittes zu ihr. Er stellte sich neben sie, ragte hoch neben ihr auf, stieß sie mit der Fußspitze an.
    »Ein Tritt, und dein schönes Gesicht wäre Mus. Aber leiderdarf ich nicht. Man beschädigt seine eigenen Waren nicht. Nur die der anderen!« Er lachte, als habe er einen Witz gemacht. »Und dich können wir noch nach Dorpat schaffen, mit einer Heirat dort hättest du wenigstens einen Nutzen. Dann wärest du endlich auch weg, weit genug weg.« Sinnierend legte er den Finger an die wulstigen Lippen. »Ich könnte dich auch mit Nikolas verheiraten. Ihr seid nicht direkt verwandt, er ist ja nur mein Stiefsohn. Dann bliebe dein Erbe in der Familie, und wir wären aller Sorgen ledig. Das würde ihm wohl gefallen, denke ich.«
    Bei diesen Worten konnte Henrike nicht mehr an sich halten vor Abscheu und Zorn. Trotz ihrer schlechten Lage und trotz der Schmerzen fürchtete sie ihren Onkel plötzlich nicht mehr.
    »Mein Vater war ein gottesfürchtiger und ehrlicher Mann. Du hingegen bist ein Lügner und Betrüger! Du ekelst mich an!«, bäumte Henrike sich auf.
    »Dein Vater   ...«, schnaufte er. »Der große Kaufmann. Der wichtige Ratsherr. Der angehende Bürgermeister. Ha! Eingebildet wie Asta, diese halsstarrige Alte. Aber auch ihr haben wir es gezeigt. Ilsebe ist fast geplatzt, als sie gesehen hat, dass sie diese Dirne Gesche aufgenommen hat. Aber ein paar Münzen hier, ein paar Gerüchte da. Die Leute lassen sich nur zu gerne aufwiegeln. Und der Verwalter gierte ohnehin nach dem Gut.«
    Jetzt wusste Henrike also die Wahrheit. Hartwig und Ilsebe hatten die Bewohner der Gegend gegen Asta aufgebracht, indem sie Gerüchte über ihren Lebenswandel verbreiteten und willige Aufwiegler bestachen! An der Bereitwilligkeit Dietrich Grapengeters, von Astas Notlage zu profitieren, hatte sie ohnehin nie gezweifelt. Aber es war doch verrückt   – den Schaden an der Zerstörung des Gutes hatte doch Hartwig als Vormund. War sein Hass so groß, dass er die Einbußen aufwog? Oder war die Lage vielleicht außer Kontrolle geraten?
    »Dein Vater dagegen   – wie verlogen er war, ich könnte kotzen! Er hat die Huren mehr geliebt als seine Frau. Sein Geld hat er zuden Dirnen getragen. Sogar einen Bankert hat er der einen gemacht. Sein eigen Fleisch und Blut hat er dagegen an der kurzen Leine gehalten und verraten.«
    Kraftlos

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