Hansetochter
sahen sich fragend an.
Asta hob die Lider, doch ihre Pupillen konnten ihr Ziel nicht finden. »Katrine ... meine Tochter ... der Hof ... noch einmal ... Heimat zeigen ... Wisby«, stieß sie hervor. Sie öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen, der den Tod kommen sieht.
Henrike war verzweifelt. Es war Asta wichtig, was sie sagte, sehr wichtig sogar, aber sie verstanden es nicht. Sie wandte sich Sasse zu. Der Knecht wirkte erschüttert.
»Was meint sie, Sasse?« Der Knecht starrte zu Boden.
»Es steht mir nicht zu, das zu sagen.«
Henrike sah ihn flehend an. »Bitte!«
»Katrine ist ... meine Tochter.« Die Worte waren ein Stöhnen gewesen, mit letzter Kraft hervorgebracht. Asta war sogleich wieder zurück auf ihr Lager gefallen und hatte erschöpft die Augen geschlossen.
Henrike starrte Katrine an, das Gesicht des Mädchens war kalkweiß. Es passte alles zusammen – Katrine war im richtigen Alter. Asta hatte sich auffällig um sie gekümmert. Wenn man genau hinschaute, gab es sogar eine gewisse Ähnlichkeit. Aber warum war die junge Frau bei anderen Leuten aufgewachsen? Hatte Asta nicht gesagt, dass man sein Kind einfach lieben müsse? Das Mädchen wandte sich Sasse zu, der seine Herrin besser kannte als irgendwer sonst auf der Welt.
»Es stimmt, du bist ihre Tochter«, sagte er leise, den Blick auf seine Füße geheftet.
Katrine schoss hoch, taumelnd, als habe ihr jemand den Boden unter den Füßen weggerissen, und rannte hinaus.
~~~
Erst am Traveufer gelang es Henrike, Katrine einzuholen. Die Wangen des Mädchens glänzten vor Tränen, ihre Augen waren rot und zornig. Henrike strich zärtlich über ihr Haar, doch Katrine schlug ihre Hand weg. »Das kann nicht sein. Ich hatte Eltern, gute Eltern! Außerdem: Warum sollte sie mich weggegeben haben?«
Henrike wusste, dass nur die Wahrheit helfen würde und dass für ein schonendes Annähern an die bitteren Fakten keine Zeit mehr blieb, also sog sie die Luft tief ein und sagte: »Asta ist bei dem Überfall auf Wisby vergewaltigt worden.« Es dauerte einen Augenblick, bis Katrine die Bedeutung dieses Satzes klar wurde. »Sie hat mich also gehasst!«, brach es aus ihr heraus.
Henrike wollte sie besänftigen. »Nein, sie hat dich nicht gehasst. Sie ... hat es nur nicht ertragen, dich zu sehen. Genau wie mich, nur aus anderen Gründen«, versuchte sie es zu erklären.
»Mein Vater war ein Vergewaltiger, sie muss mich also gehasst haben«, beharrte sie, »selbst wenn der Schmerz irgendwann verblasst ist. Aber warum hat sie es mir nicht früher gesagt?«
Henrikes Blick folgte einen Moment einer Kogge, die vor dem sandigen Hintergrund des Priwall in die Trave einfuhr. Im aufsteigenden Nebel sah sie so leicht aus, beinahe schwebend. Genau wusste sie nicht, was ihre Tante bewegt hatte, sie konnte es nur vermuten.
»Am Anfang war sie einfach hilflos. Und später hat sie dann gesehen, wie glücklich du bei deinen Eltern bist. Sie wollte dich nach ihrem Tod nicht noch mehr verletzen, glaube ich.«
»Noch mehr verletzen! Wie das?« Katrines Augen brannten. »Und du, warum hast du es mir nicht gesagt?«, fragte sie vorwurfsvoll.
»Ich habe es nicht gewusst. Erst als sie es eben sagte, wurde mir alles klar.«
Katrine sank in sich zusammen. Sie begann zu weinen wie ein kleines Kind. Es war, als spülten die Tränen ihren Zorn fort. Henrike setzte sich neben sie, achtete gar nicht auf die Menschen, die an ihnen vorbeigingen und sie neugierig begafften. Ruhig wiegte sie ihre Freundin in ihrem Arm. »Ich glaube, sie hat schon lange mit dem Gedanken gespielt, es dir zu sagen. Sie hat vielleicht einfach nicht gewusst, wie sie es am besten anfangen soll.«
Katrine schluchzte schwer. »Tief in mir habe ich es gespürt. Ich habe mich gewundert, warum sie sich so um mich kümmert, und habe gehofft, dass wir miteinander verbunden sind. Ich habe meine ... Eltern verloren. Ich habe so eine Angst, sie auch noch zu verlieren.«
Henrike spürte Zweifel in sich. Sorgen über die Zukunft, über Dinge, die nicht in ihrer Hand lagen, aber sie konnte Katrine nicht belügen.
»Astas Leben liegt in Gottes Hand. Aber sie ist eine Kämpferin. Sie will leben, das hast du doch gehört. Wenn ich es richtig verstanden habe, will sie noch einmal in ihre Heimat, nach Wisby. Mit dir, ihrer Tochter. Du musst an ihrer Seite sein. Dumusst sie pflegen.« Sie stockte. »Und ich muss dafür sorgen, dass sie den Hof zurückbekommt. Ich glaube, auf uns
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