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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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seines Bruders, den ein Händler aus Brügge mitgebracht hatte, setzte ihn noch weiter unter Druck. An Sina, seiner ältesten Schwester, hatte ein Kaufmann Interesse bekundet, der im Wollhandel mit England erfolgreich war. Jetzt müsste nur noch die Mitgift stimmen. Wie viel Adrian in kurzer Zeit aufbringen könnte, wollte Lambert wissen. Die Last lag schwer auf Adrians Schultern, Schlaflosigkeit plagte ihn. Immer wiederüberlegte er, wie er genügend Geld für Sinas Mitgift aufbringen könnte. Eine einfache Lösung gab es: Wenn er Drudeke Diercksen heiraten würde, wäre er mit einem Schlag alle Sorgen los. Doch seine Liebe galt ohne jeden Zweifel Henrike Vresdorp. Stets schlug sein Herz schneller, wenn er an ihrem Haus vorbeiging. Von ihr gab es jedoch kein Lebenszeichen.

24
    H enrike hatte jede Wand nach einer Ritze und alle Bohlen nach einer Lücke abgesucht. Sie hatte an der Tür gerüttelt und gezogen, doch aus dieser Kammer gab es kein Entkommen. Auch ihre Haarnadeln nützten ihr diesmal nichts, da von außen zusätzlich ein Balken vorgelegt worden war. Und gegen den käme sie beim besten Willen auch dann nicht an, wenn ihr Körper nicht so schmerzen würde, wie er es tat. Seit Hartwigs Schlägen waren bereits einige Tage vergangen, aber noch immer war ihr Gesicht so geschwollen, dass sie kaum aus den Augen blicken konnte.
    Als ihr Onkel und ihre Tante sie im letzten Herbst einsperrten, war Henrike verzweifelt gewesen. Aber inzwischen war alles noch viel schlimmer gekommen, und sie hatte kaum noch Hoffnung auf Besserung. Hartwigs Drohungen klangen ihr noch im Ohr und sie wusste, dass er rücksichtslos genug war, sie auch umzusetzen. Ihre Gedanken wanderten zu Simon. Er hatte schon unter Nikolas zu leiden; wenn sich nun auch noch Hartwig mit seiner ganzen Boshaftigkeit gegen ihn stellen würde   – nein, das wagte sie sich nicht vorzustellen! Sie hoffte, dass es wenigstens Asta besser ging. Wie gerne würde sie ihr schreiben!
    Sie hörte Schritte und zog sich in die hinterste Ecke ihrer Pritsche zurück. Es war eine schmale Kammer ohne Fenster, die Pritsche nahm mehr als die Hälfte ein. Ihr Vater hatte sie als Unterkunft für auswärtige Handelspartner anbauen lassen, für einfache Kaufleute oder Handwerker. Es gab nur die Tür und schmale Luftschlitze unter dem Dach, durch die fahles Licht fiel.
    Der Riegel wurde beiseitegeschoben, und Sonnenlicht fielgrell durch die Tür. Henrike kniff die Augen zusammen, hob schützend die Hand. Sie musste sich erst wieder an die Helligkeit gewöhnen. Ein breiter Schatten durchschnitt das Licht.
    »Sie sieht ja noch schlimmer aus, als ich dachte«, hörte sie ihre Tante Ilsebe sagen und glaubte, einen erfreuten Unterton in ihrer Stimme zu hören. Sie konnte aber das Gesicht nicht erkennen. Ein weiterer Schatten zeigte sich neben ihr.
    »Hab’s doch gesagt, Herrin.« Rotger.
    Henrike wurde schlecht.
    »Sie hat nur bekommen, was sie verdient hat. Wenn es nach mir gegangen wäre, sähe sie noch schlechter aus.«
    »Sicher, Herrin.« War Rotgers Ton ihrer Tante gegenüber schon immer so demütig gewesen?
    »Wenn man von ihren Schandtaten hört, möchte man sie sofort ins Kloster sperren und für den Rest ihres kümmerlichen Lebens hinter dicken Mauern verschwinden lassen. Wenn das nur nicht so teuer wäre!« Ein theatralisch hervorgebrachter Stoßseufzer. »Einfach zu Asta rennen und ihr helfen wollen! So ein unartiges Mädchen. Dabei wollen Hartwig und ich nur das Beste für den Gutshof.«
    Henrike hielt es nicht mehr aus. »Indem ihr den Hof überfallen und Asta fast umbringen lasst? Oder indem ihr diesen grässlichen Verwalter einsetzt? Von dem Überfall auf Katrine ganz zu schweigen!«, brauste sie auf.
    Der Schatten ihrer Tante zuckte leicht. »Wer bitte ist denn Katrine? Mit Gesinde gebe ich mich nicht ab.« Ein Lachen war zu hören, das Henrike das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Na, schön. Sie hat offenbar immer noch nicht genug. Rotger?« Der Mann ließ sich neben Henrike auf die Knie fallen und gab ihr pflichtschuldigst eine Ohrfeige. Ilsebe Vresdorp fuhr ungerührt fort. »Wenn wir der Unzucht auf dem Hof ein Ende setzen und einen Verwalter berufen, so ist das unsere Sache. Die Idee mit dem Überfall hatte Grapengeter. Er konnte es nicht erwarten, sichendlich ins gemachte Nest zu setzen. Wir haben nur etwas nachgeholfen. Für uns ist das nur gut. Grapengeter wird die Arbeiter härter rannehmen und so mehr aus dem Gutshof herausholen.« Sie machte eine

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