Happy End am Mittelmeer
ihr Herz zum Teil ausgeschüttet hatte, glaubte er, der Damm sei gebrochen und sie sei bereit – wie befreit –, nun auch alles aus sich herauszulassen.
Tatsächlich schien sie jetzt sofort sprechen zu wollen. Im Zimmer stand ein kleines Sofa, darauf setzten sie sich nebeneinander, und Ayme redete weiter.
„Siehst du, das ist die Kehrseite“, begann sie. „Je besser ich war, desto schlechter schien Sam zu werden.“ Sie zwang sich zu lächeln. „Je mehr ich zu glänzen schien, desto mehr lehnte Sam es ab. Sie wurde eine Rebellin, die absichtlich scheiterte. Trotz des Verbots unseres Vaters ließ sie sich tätowieren und die Nase piercen.“
„Das klingt ziemlich typisch.“
„Vermutlich.“ Sie zuckte die Achseln. „Komisch, aber es ist mir jetzt so klar wie nie. Ich weiß, dass sie mir grollte. Versteh mich nicht falsch. Wir hatten auch viele gute Zeiten zusammen. Aber unterschwellig war immer dieser Groll da. Ich dachte, wenn sie sich nur etwas mehr anstrengen würde … Aber natürlich hatte sie das Gefühl, alle Liebespunkte der Familie wären schon an mich gegangen. Es gab für sie keine Möglichkeit mehr, erfolgreich zu sein. Die Rolle des Erfolgs war schon durch mich besetzt. Sie musste etwas anderes finden.“
„Das muss hart für deine Eltern gewesen sein.“
„Oh, ja. Aber irgendwie machten sie alles nur noch schlimmer. Sie hielten sich nicht zurück, Sam offen ihre Meinung zu sagen.“
„Und verglichen sie mit dir?“
„Ja, leider. Was sich nicht gerade positiv auf unsere Beziehung auswirkte, wie du dir vorstellen kannst.“
„Natürlich.“
„Deshalb ging Sam von zu Hause weg, sobald sie konnte. Und dann stand sie plötzlich mit dem Baby im Arm vor der Tür. Einerseits freuten wir uns natürlich wahnsinnig. Es gab ein neues Familienmitglied. Aber gleichzeitig waren meine Eltern entsetzt. Wer war Cicis Vater? Hatte es eine Hochzeit gegeben? Ich bin sicher, du kannst dir die Antwort darauf denken.“
„Ich glaube, ja.“
„Zuerst zeigte Sam sich reumütig. Ich glaube, es war sehr anstrengend für sie, sich allein um ein Baby zu kümmern. Aber sobald sie sich einmal ausgeschlafen hatte, wurde sie schnell wieder aufsässig. Und als Mom versuchte, sie dazu zu bringen, realistisch für die Zukunft zu planen, bekam sie einen Wutanfall.“
„Das wirkte.“
„Ja. Später an diesem Abend erzählte sie mir, wer Cicis Vater war. Sie kam in mein Zimmer und bat mich, mich um Cici zu kümmern. Sie behauptete, das Muttersein probiert zu haben und dass es nicht zu ihr passte. Und dann ging sie weg.“
„Einfach so?“
„Einfach so.“
„Was hast du dazu gesagt?“
Sie wandte sich zu ihm. „Was glaubst du wohl? Ich wurde hysterisch. Ich konnte doch nicht ihr Baby nehmen! Ich tobte, ich sagte ihr, entweder meine Eltern müssten es aufziehen … oder wir müssten es zur Adoption freigeben.“
„Puh.“
„Oh ja. Ich sagte schreckliche Dinge.“ Sie schaute zur schlafenden Cici. Sah sie es jetzt anders? „Dinge, die ich nicht so meinte. Aber ich wollte nicht, dass Sam vor ihrer Verantwortung davonlief.“ Ayme schluckte. „Es half alles nichts. Irgendwann schnappte sie sich Moms Autoschlüssel und fuhr los.“
„Und deine Eltern folgten ihr im Wagen deines Vaters?“
„Ja. Und sie fanden sie.“
„Und?“
Sie lachte bitter auf. „Es gab einen Unfall. Und Cici wurde mein Problem.“
Irritiert sah David sie an. Warum wagte sie nicht den nächsten Schritt und sagte ihm, dass ihre Eltern auch bei diesem Unfall starben? Was hielt sie davon ab? Es war etwas Schreckliches, und wahrscheinlich stand sie deshalb immer noch unter dem Schock. Aber bestimmt wäre es für sie besser, offen darüber zu reden und es aufzuarbeiten. Solange sie nicht dazu bereit war, würde sie, so fürchtete er, diesen traurigen Blick in ihren Augen behalten. Und das, was er ihr am meisten wünschte – was er ihr so sehnsüchtig wünschte –, war Glück.
8. KAPITEL
Cici war weinerlich in dieser Nacht, und Ayme und David gingen abwechselnd zu ihr. Auf diese Weise bekamen sie beide genug Schlaf, und am Morgen fühlten sie sich einigermaßen ausgeruht und bereit, sich einem neuen Tag zu stellen.
Und es war ein wundervoller Morgen. Sie frühstückten schnell und gingen dann hinunter zum Jachthafen, sahen die Morgensonne über dem silbrigen Meer und einige Schäfchenwolken, die über das Himmelsblau zogen. Cici war ganz brav, hatte ihre blauen Augen weit geöffnet und sah sich staunend die Welt an.
Ayme
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