Happy End auf Sizilianisch
waren losgefahren, um ihn zu suchen. In einer Kurve hat sich der Wagen überschlagen und ist in eine Schlucht gestürzt.”
“Bernardo”, flüsterte Angie, doch er hörte sie nicht einmal, weil er die schrecklichen Ereignisse, die ihn seit Jahren verfolgten, erneut zu durchleben schien.
“Der Junge hat nie jemandem erzählt, warum er an jenem Tag heimlich das Haus verlassen hatte”, fuhr er benommen fort. “Doch er war alt genug, um zu wissen, dass er durch den Verrat, den er an seiner Mutter begangen hatte, zum Mörder seiner Eltern geworden war. Wenige Tage später kam die Ehefrau seines Vaters zu ihm.
Seine Mutter hatte ihm oft erzählt, wie sehr diese Frau sie hassen müsse, weil sie ihr den Mann weggenommen habe. Doch nun lächelte diese Frau und forderte den Jungen herzlich auf, mit ihr zu kommen und fortan in dem großen Haus am Meer zu leben und den Namen seines Vaters zu tragen.
Alles, was sich der Junge je gewünscht hatte, schien in Erfüllung zu gehen – allerdings um den Preis zweier Menschenleben. Doch aus Angst, dass sie wortlos gehen und er in ein Heim gesteckt würde, brachte er nicht den Mut auf, der Frau rundheraus zu sagen, dass er ihren Ehemann auf dem Gewissen hatte. Dafür war er zu feige.”
“Er war doch noch ein Kind!”, widersprach Angie eindringlich.
“Damals vielleicht”, wehrte Bernardo ihren Einspruch ab. “Doch inzwischen ist er ein erwachsener Mann und immer noch ein Feigling, der all die Jahre geschwiegen und die Freundlichkeit, mit der ihm seine Stiefmutter begegnete, misstrauisch zurückgewiesen hat, weil ihn die Gewissheit nicht loslassen wollte, wie sehr sie ihn insgeheim hassen …”
“Sag so etwas nicht”, fiel Angie ihm ins Wort. “Du weißt genau, dass Baptista dich nicht hasst.”
“Das könnte sich schnell ändern, wenn sie die Wahrheit erfahren würde.”
“Auch dann würde sie dir keinen Vorwurf machen”, entgegnete Angie energisch. “Vergiss nicht, dass du damals erst zwölf Jahre alt warst.”
“Trotzdem fühlte ich mich für meine Mutter verantwortlich”, widersprach Bernardo. “Doch anstatt zu tun, was ich meinem Vater versprochen hatte, mich um sie zu kümmern, habe ich sie …” Entsetzt schlug er die Hände vors Gesicht.
Sosehr Bernardo unter der Erinnerung auch litt und Angie mit ihm, fühlte sie gleichwohl eine eigentümliche Erleichterung. Er hatte sich ihr anvertraut, und so unüberbrückbar die vor ihnen liegenden Schwierigkeiten auch schienen, bezweifelte Angie nicht, dass sie sie gemeinsam meistern würden.
“Sei nicht so traurig, Liebster”, sagte sie tröstend und umarmte ihn. “Ich bin doch bei dir. Und wenn wir zusammenhalten, wird alles gut.”
“Nichts wird gut!”, sagte er unter Tränen.
“Verlass dich auf mich”, widersprach sie sanft und strich ihm zärtlich über die Wange. “Wenn wir uns lieben, können wir alles schaffen. Und wir lieben uns doch, oder?”
Bernardo hob den Kopf, und trotz aller Trauer, die in seinem Gesicht stand, meinte Angie eine Spur Zuversicht erkennen zu können. Sie zog ihn an sich und ließ die Hände über seinen Körper gleiten, um ihm durch die intime Berührung zu zeigen, dass sie für immer zusammengehörten.
Nur langsam begann sein innerer Widerstand zu bröckeln, doch als es so weit war, brach sich das Begehren, das sich in ihm angestaut hatte, ungehemmt Bahn.
Mit einer Leidenschaft, die an Verzweiflung grenzte, nahm er Angie in Besitz, die sich ihm in dem Wissen, wie sehr er sie brauchte, hingab. In der Nacht zuvor hatte sie geglaubt, alle Schwierigkeiten überwunden zu haben. Doch nun reichte ein Blick in seine Augen, die Angst verrieten, um sie wissen zu lassen, dass noch ein weiter Weg vor ihnen lag. Ein sehr weiter.
Als Angie aufwachte, brauchte sie nicht auf die Uhr zu sehen, um sich schlagartig bewusst zu werden, dass sie verschlafen hatte.
Schon wollte sie aufstehen, als sie zu ihrem Schrecken bemerkte, dass Bernardo nicht neben ihr lag. Sie beruhigte sich mit dem Gedanken, dass er es vorgezogen hatte zu gehen, bevor Ginetta ihren Dienst antrat.
Mit der Gewissheit, dass bald die ganze Welt erfahren durfte, wie sehr sie sich liebten, schlüpfte sie aus dem Bett. Denn nachdem er ihr vertraut hatte, bezweifelte sie nicht, dass er bald einsehen würde, wie unbegründet die Vorwürfe waren, die er sich machte. Und sie war entschlossen, ihm dabei nach Kräften zur Seite zu stehen.
Nachdem sie ausgiebig geduscht hatte, ging sie in die Küche, um zu frühstücken.
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