Happy End auf Sizilianisch
mochte.
Die Versuchung, ihr reinen Wein einzuschenken, war groß, und nur das Wissen darum, dass Bernardo es ihr nie verzeihen würde, ließ Angie Abstand davon nehmen. Sie hatte nicht das Recht, etwas weiterzuerzählen, was ihn so sehr bedrückte, dass selbst eine noch so große und tief empfundene Liebe machtlos dagegen war.
Zu ihrer Beruhigung blieb ihr jede Nachfrage erspart, bis unvermittelt ein großer weißhaariger Mann die Terrasse betrat, den Baptista ihr als einen “alten Freund” vorstellte.
“Federico ist viel mehr als das”, flüsterte ihr Heather ins Ohr. “Er ist ihre große Liebe. Er kommt jeden Tag, und dann sitzen sie zusammen und halten stundenlang Händchen. Sind sie nicht ein wundervolles Paar?”
Das waren sie in der Tat, wie Angie feststellte, je länger sie die beiden beobachtete. Die Innigkeit, mit der sie sich unterhielten, rührte sie zutiefst. Gleichzeitig erfüllte sie der Anblick der alten Menschen, die ein Leben lang unbeirrbar an ihrer Liebe festgehalten hatten, mit einer eigentümlichen Schwermut.
Als wenig später Renato und Lorenzo zu ihnen stießen, war die Familie komplett – jedenfalls beinahe, schränkte Angie unwillkürlich ein.
Renato wirkte völlig verwandelt. Die Ehe, erst recht die Vorfreude auf das Kind, schien einen anderen Menschen aus ihm gemacht zu haben. Er kümmerte sich derart rührend und zuvorkommend um Heather, dass Angie ihn beinahe zu mögen begann.
Auch Lorenzo hatte sich verändert, ohne dass Angie genau hätte sagen können, woran sie es festmachte. Denn er wirkte so fröhlich und unbeschwert wie eh und je, und sein jungenhafter Charme war ungebrochen. Dafür schien sein Selbstvertrauen entschieden größer geworden zu sein, was sich Angie nur mit der veränderten Beziehung zu seinem großen Bruder erklären konnte, zu dem er früher ehrfürchtig aufgesehen hatte.
Wie sie von Bernardo wusste, hatte sich Renato in aller Förmlichkeit bei Lorenzo entschuldigt und gleichzeitig dafür bedankt, dass er ihn zu einem glücklichen Menschen gemacht hatte. Dies hatte Lorenzo offensichtlich ermöglicht, die Minderwertigkeitsgefühle ihm gegenüber abzulegen und sich als gleichwertiger Partner zu fühlen, der dem Älteren mit demselben Respekt begegnete wie der dem Jüngeren.
Nachdem Lorenzo Angie herzlich begrüßt hatte, setzte er sich neben sie und erzählte ihr freudestrahlend von seiner bevorstehenden Reise in die USA.
“Gut genug Englisch kannst du ja”, kommentierte Angie spitz. “Allerdings sind die Alkoholvorschriften in Amerika deutlich strenger als in England.”
“Meine Schwägerin konnte wohl mal wieder ihren Mund nicht halten”, wandte er sich gespielt empört an Heather, die augenblicklich in lautes Lachen ausbrach, in das die anderen umgehend einstimmten.
Angie genoss es, im Kreis einer Großfamilie zu sitzen, deren Mitglieder ihr eigenes Glück genauso zu schätzen wussten wie das der anderen und ihr obendrein das Gefühl gaben, dazuzugehören.
Umso schmerzlicher wurde ihr bewusst, dass ihr das für immer versagt bleiben würde. Denn selbst wenn Bernardo sie nicht verlassen hätte, verhinderten seine Schuldgefühle, dass er sich selbst als Teil der Familie Martelli betrachtete. Und so gut Angie mittlerweile zu wissen glaubte, warum er sich mit aller Macht gegen sein eigenes und das Glück derjenigen stemmte, die ihn liebten, so genau wusste sie auch, dass sein Stolz es ihm verbot, sich ausgerechnet von ihr helfen zu lassen.
Sobald sich die Gelegenheit ergab, sich zu verabschieden, ohne unhöflich zu wirken, machte sich Angie auf den Rückweg in die Berge, die ihr einsamer und unwirtlicher erschienen als je zuvor.
Als Lorenzo in der zweiten Aprilwoche nach zweimonatigem Aufenthalt in den USA mit prall gefüllten Auftragsbüchern nach Sizilien zurückkehrte, führte ihn einer seiner ersten Wege nach Montedoro.
Angie hatte gerade die Praxis abgeschlossen, als er vor ihrer Haustür stand.
“Komm rein”, begrüßte sie ihn erfreut. “Ich mache uns etwas zu essen. Mehr als Tiefkühlkost kann ich dir aber leider nicht anbieten.”
“Besser als nichts”, erwiderte Lorenzo und folgte ihr in die Küche, wo Angie eine vegetarische Lasagne aus dem Gefrierschrank nahm und in die Mikrowelle stellte.
“Für mich keinen Alkohol”, erklärte sie Lorenzo, als er eine Weinflasche auf den Tisch stellte. “Vielleicht bist du so gut und schenkst mir ein Glas Orangensaft ein.”
Während er die Flasche entkorkte, holte sie Gläser aus
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