Happy End für Anfänger: Roman (German Edition)
sein Handy klingelte.
»Flora. Mädel! Könnten wir bitte nicht streiten? Ich bin bei einem Date.«
Gut gemacht, Benj.
Selbst wenn sie nur angerufen hatte, um Frieden zu schließen, legte Flora jetzt erst recht los. Ich blendete die beiden aus und dachte an Dave. Er hatte mir heute Morgen eine sehr herzliche E-Mail geschickt, in der er sich voller Reue und Humor bei mir entschuldigte. »Ich habe eine etwas schwierige Zeit hinter mir«, hatte er geschrieben. Ich fragte mich, was er damit meinte. Dave hatte keine »schwierigen Zeiten«: Im Großen und Ganzen betrachtet, war sein Leben rosig. Er hatte eine schöne Freundin, war ein Londoner Nachrichten-Kameramann der obersten Liga und Besitzer eines atemberaubenden alten Hauses in Wimbledon Village. Hatten Freya und er sich verkracht? Oder war etwas mit seiner Familie in Glasgow?
Ich blickte wieder zu Benj. Sein Gesicht und seine Stimme erinnerten an ein Unwetter, und er hielt sein iPhone mit einer Grimmigkeit umklammert, wie sie Duke Ellington bei einem Angriff auf meine Fußknöchel an den Tag legte. Darauf erpicht zu fliehen, bedeutete ich ihm, dass ich etwas zu trinken holen würde. Er nickte.
Erleichtert ging ich hinein. Drinnen ertönte überraschenderweise Klaviermusik. Neben einem Haufen trendiger Teenager saß eine alte Dame an der Bar, die einen Trägerrock über einem gerippten Rollkragenpulli trug, dazu lange Socken und Sandalen. Die schräge Mischung der Leute in London bereitete mir immer wieder Vergnügen. »Ein Pint Kronenbourg und noch einen Pseudo-Gin-Tonic«, bestellte ich beim Barmann, während ich in meinem Portemonnaie kramte.
Die Frau tippte mir auf die Schulter, gerade als ich einen schmuddeligen Zehner über den Tresen reichte. »Junge Dame.«
Sie hatte ein liebenswertes Gesicht, klug, ein wenig unkonventionell, und trug ihr graues Haar zu einem Bob geschnitten. »Hallo«, sagte ich. Sie sah noch wie die normalste Person hier aus.
»Ich habe Sie eben draußen beobachtet. Sie sahen aus, als überlegten Sie, Selbstmord zu begehen«, sagte sie ohne jede Spur von Ironie.
Ich kicherte. »Da fehlt nicht mehr viel. Mein Date entpuppt sich als sehr unangenehm.«
Sie nickte, als wüsste sie das bereits. Sprach ich mit einer Art Hexe?
»Ja, das ist mir aufgefallen. Ich habe gespürt, dass Ihr Herz anderswo ist. Nicht bei diesem Mann. Hab ich recht?«
Plötzlich sah ich meine erste Begegnung mit Michael wieder vor mir, so klar und deutlich, dass mir beinahe die Luft wegblieb. Da war er, mit einem verschlafenen Lächeln stand er auf der Schwelle des UN -Büros in Mitrovica, die Wintersonne schien grell über seine Schulter. Ich betrachtete mich, als wäre ich eine Außenstehende: Jung, dumm, gekleidet wie ein Osterei aus den Achtzigern, stolperte ich durch die ersten fünf gemeinsamen Minuten unseres Lebens.
Die Frau beobachtete mich freundlich, den Kopf zur Seite gelegt.
»Ja«, sagte ich bedächtig. »Mein Herz ist definitiv woanders.« Sie strahlte. »Sie haben mir gerade einen Gefallen getan«, sagte ich. »Danke. Ich muss nicht hier sein.« Ich nahm die Getränke und das Wechselgeld vom Barmann entgegen und stellte mich lächelnd vor sie hin. »Ich werde jetzt nach Hause gehen.«
Sie lächelte ebenfalls.
Das Ganze hatte etwas leicht Bizarres. »Ähm, nochmals danke …«, fügte ich lahm hinzu.
»Kein Problem. Ein kleiner Beitrag für meinen Bierfonds wäre nicht verkehrt«, sagte sie.
Gleichermaßen amüsiert wie erschüttert, reichte ich ihr einen Fünfer von meinem Wechselgeld und ging. Das war heute nicht der richtige Ort für mich.
Ich schlängelte mich durch die Tische zurück zu Benj, der immer noch in sein iPhone schrie. Ich war völlig gelassen. Wenn ich mich nicht Hals über Kopf in Benj verliebte, was ich ganz bestimmt nicht täte, würde ich sehr viel lieber auf meiner Treppe einen Holunderblütensirup mit Stefania und Duke Ellington trinken und mich auf meine Wiedervereinigung mit Michael vorbereiten. Es war nicht aufrichtig von mir, hier zu sitzen und mit diesem Blödmann über seine Törtchen zu plaudern.
Ich stellte sein Pint vor ihn, nahm meinen Mantel und fing seinen Blick auf. Er sah, was ich vorhatte, und wedelte herablassend mit der Hand.
Ich war frei. An einem Stand kaufte ich mir bei einem lächelnden Mann eine Schale äthiopischen Eintopf und stieg in den Bus nach Hause. Ich fühlte mich ungewöhnlich heiter. Als sich ein Teenager neben mich setzte und anfing, auf seinem Handy Speed Garage zu spielen, wippte
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