Happy End fuer Harriet
schwand Harriets Empörung. Stattdessen fühlte sie sich plötzlich eigentümlich schwach. “Wo sind meine Brüder?” erkundigte sie sich in dem Versuch, so natürlich wie möglich zu erscheinen.
“Ach, hatte ich Ihnen nicht erzählt, dass ich sie bei Wasser und Brot im Kellergewölbe eingeschlossen habe? Ich kann schließlich meinem Ruf als gewissenloser Verführer kaum gerecht werden, wenn ich zwei kleine Kinder an meinen Rockschößen hängen habe.”
Die Vorstellung war so komisch, dass Harriet unweigerlich lachen musste. Im Stillen gestand sie sich ein, dass sich Lord Ashby als ausnehmend hilfsbereit und freundlich gezeigt hatte. “Sie waren sehr gut zu meinen Brüdern”, sagte sie leise. “Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Lord Ashby. Es war nicht richtig, Sie einen Wüstling zu nennen.”
“Ich glaube, Sie haben herzlich wenig Ahnung von solchen Männern. Ein echter Wüstling würde hiermit beginnen …” Er ließ die Hände von Harriets Schultern gleiten und strich ihr langsam über die Arme. “Dann würde er dieses tun …” Nun umfasste er sie vollends, sodass er die Finger in einer sanften Liebkosung über ihren Rücken gleiten lassen konnte.
Harriet bebte, als sie von einem erregenden Gefühl erfüllt wurde, das sie noch nie zuvor erlebt hatte.
“Schau mich an”, sagte Hugh leise. Wie im Traum gehorchte Harriet und hob den Kopf. Dann küsste er sie mit so viel Zartgefühl und gleichzeitiger Leidenschaft, dass sie glaubte, die Welt würde anfangen, sich um sie zu drehen.
Sie nahm das Klopfen an der Tür kaum wahr, doch Lord Ashby hörte es und löste sich sofort von Harriet und trat einige Schritte von ihr zurück.
“Mylord, die Kleider der jungen Dame sind trocken und gebügelt.” Mrs Catesby trug Harriets Kleidungsstücke über dem Arm.
“Dann werde ich den Einspänner vorfahren lassen.” Und schon war Hugh hinausgeeilt.
Harriet war außer sich vor Wut, als sie neben Lord Ashby in dem Einspänner saß, den er sicher durch die Parklandschaft lenkte. Er hatte darauf bestanden, sie in den Wagen zu tragen, weil sie noch immer barfuß war.
Inzwischen war Harriet zu der Überzeugung gelangt, dass Lord Ashby einer jener Herren zu sein schien, die es als ihr Recht ansahen, sich jedes Mädchen in ihr Bett zu holen, nach dem es sie gelüstete. Zweifellos wollte er sie verführen, und in seinen Armen hatte sie sich seiner Anziehungskraft vollkommen ausgeliefert gefühlt.
Was sollte sie nur tun? Es erschien ihr unmöglich, Elizabeth und die Jungen zu verlassen, ohne eine peinliche Erklärung dafür abgeben zu müssen. Doch ihr drohte große Gefahr, sowohl von dem unmöglichen Mann an ihrer Seite, der viel zu viel Raum in ihren Gedanken einnahm, als auch von ihren eigenen törichten Reaktionen auf seine körperliche Anziehungskraft.
Während Harriet ihren trüben Gedanken nachhing, scherzte und lachte Lord Ashby mit den Jungen, die hinter ihm saßen, bis sie ihr Ziel erreicht hatten.
Kaum war der Einspänner zum Stehen gekommen, sprang Harriet bereits auf, doch Hugh hielt sie davon ab, sofort auszusteigen.
“Einen Moment noch, Miss Woodthorpe.” Er griff in seine Rocktaschen. “Ihre Schuhe. Ich fand sie dort draußen am Ufer.”
Harriets vernichtender Blick hätte einen weniger selbstbewussten Mann durchaus beeindruckt. Doch Lord Ashby lächelte sie unbekümmert an.
Sie zog ihre Schuhe an und eilte ins Haus, ohne sich noch einmal nach ihm umzudrehen.
4. KAPITEL
Elizabeth kam ihr, gefolgt von Lavinia, bereits entgegen, als Harriet in die Eingangshalle trat.
“Harriet, wo seid ihr gewesen? Wir haben uns schon große Sorgen gemacht. Die Mittagszeit ist fast vorüber.”
“Adam ist ins Wasser gefallen, und ich bin ihm nachgesprungen.” Diese Erklärung war äußerst knapp, doch Harriet wollte ihre Version der Ereignisse zum Besten geben, bevor die Jungen das Abenteuer in leuchtenden Farben schilderten.
“Aber deine Sachen sind ja völlig trocken.” Elizabeth fasste prüfend das Kleid ihrer Schwester an.
Lord Ashby war unbemerkt hinter Harriet getreten. Bevor sie antworten konnte, sagte er: “Madam, ich war zufällig in der Nähe, als das Missgeschick passierte, und brachte Ihre Geschwister in mein Haus. Miss Harriet wollte Sie nicht in Aufregung versetzen, indem sie hier wie eine Nixe auftauchte.”
Elizabeth war blass geworden. “Wie schrecklich!”, rief sie aus. “Hoffentlich hast du dich nicht erkältet. Hast du dich vollständig erholt?”
“Ja, mir fehlt
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