Happy End fuer Harriet
zurück.
“Muss ich es wirklich sagen?”
“Ja, heraus mit der Sprache!”
“Nun, mir ist sein Verhalten unverständlich”, antwortete Harriet vorsichtig. “Er ist ganz anders als alle Menschen, denen ich bisher begegnet bin.”
“Passen Sie gut auf sich auf, mein Mädchen. Er wird Ihnen sonst das Herz brechen!” Mit diesen Worten winkte der alte Mann sie hinaus.
Harriet war sehr nachdenklich, als sie nach unten ging, um sich zu den anderen Mitgliedern des Haushalts zu gesellen. Zunächst hatte ihr eine heftige Entgegnung auf den Lippen gelegen, doch dann überlegte sie es sich anders. Der Duke war ein alter Mann, der vielleicht nicht mehr so genau wusste, was er sagte. Schließlich gab es wohl keinen einzigen Mann, bei dem es weniger wahrscheinlich gewesen wäre, dass sie ihr Herz an ihn verlor, als bei Lord Ashby.
Bei Harriets Eintreten in den Salon erhob sich ein Gentleman, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Elizabeth reichte ihm soeben eine Tasse Tee und nahm sein Kompliment über ihre Schönheit lächelnd entgegen.
“Harriet”, sagte sie zu ihrer Schwester, “ich möchte dir Gervase Calcott vorstellen. Er ist Anwalt und sozusagen die rechte Hand des Duke in allen geschäftlichen Angelegenheiten; außerdem ein alter Freund der Familie. Mr Calcott, Sie müssen unbedingt meine Schwester kennenlernen.”
Nur widerstrebend löste sich der Mann von Elizabeths bezauberndem Anblick und verneigte sich vor Harriet. Dabei murmelte er irgendeine höfliche Bemerkung, doch es war offensichtlich, dass er in Gedanken ganz woanders war.
Harriet nahm Platz und beobachtete Mr Calcott amüsiert. Sie war es gewohnt, dass Männer von Elizabeths Schönheit hingerissen waren. Als der Anwalt in seinem Bestreben, Lady Swanbourne zu gefallen, beinahe ein Tischchen umstieß und vor Aufregung sogar seinen Teller mit Gebäck fallen ließ, verspürte Harriet eine Woge der Sympathie für den jungen Mann.
Er verfügte über eine angenehme äußere Erscheinung und hatte einen offenen Gesichtsausdruck. Obwohl er noch recht jung zu sein schien, musste er doch über berufliche Kompetenz verfügen, denn sonst würde der alte Duke ihn wohl kaum beschäftigen.
Harriet ließ den Blick über die anderen Anwesenden schweifen. Piers und Lord Ashby waren in eine Unterhaltung vertieft, und Lavinia hatte offenkundig nur Augen für Gervase Calcott. Selbst als sich Harriet neben sie setzte und eine leichte Konversation begann, konnte sie die Aufmerksamkeit des jungen Mädchens nicht gewinnen.
“Sie haben sich eine äußerst schwierige Aufgabe gesucht, Miss Woodthorpe.” Hughs Worte waren nur für Harriets Ohren bestimmt, doch sie zollte ihnen keinerlei Aufmerksamkeit, denn sie war sicher, dass Lord Ashby in Lavinias Bewunderung für den jungen Advokaten lediglich eine neue Quelle seiner Belustigung sah.
“Ich hoffe, Sie haben sich von den Schrecken des Vormittags erholt?” erkundigte er sich, ohne sich von Harriets abweisender Miene beeindrucken zu lassen.
“Oh ja, vielen Dank. Ich habe keinen Gedanken mehr daran verschwendet.”
Er verzog den Mund zu einem amüsierten Lächeln. Doch bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, rief Elizabeth ihm zu: “Lord Ashby, ich brauche Ihren Rat. Wann wäre wohl ein guter Zeitpunkt für mich, die Pächter kennenzulernen?”
Er verneigte sich in ihre Richtung. “Wann immer es Ihnen genehm ist, Madam. Ich würde mich glücklich schätzen, Sie dabei begleiten zu dürfen.” An Harriet gewandt, murmelte er: “Meinen Glückwunsch, in Ihrer Schwester haben Sie einen hervorragenden Schutzengel gefunden.” Er ging durch den Salon und begab sich an Elizabeths Seite.
Harriet widmete ihre Aufmerksamkeit erneut Lavinia, die wie erstarrt neben ihr saß. Soeben näherte sich Gervase Calcott und bat um Erlaubnis, neben Lavinia Platz nehmen zu dürfen. Die beiden jungen Leute schwiegen; es war schwer zu sagen, wer von beiden größere Mühe hatte, ein gewisses Unbehagen abzuschütteln.
Piers rettete die Situation, indem er Gervase gutmütig wegen dessen Missgeschicks neckte. “Aber das war gar nichts im Vergleich mit dem, was Harriet heute widerfahren ist”, plauderte er unbekümmert drauflos.
Calcott drängte sie, von ihren Erlebnissen am Vormittag zu erzählen, und bald schon entspannte sich auch Lavinia merklich. Sie und ihr Bruder sowie der Anwalt und Harriet fanden schnell zu einer angeregten, fröhlichen Unterhaltung.
Harriet fühlte sich zum ersten Mal seit ihrer Ankunft rundherum wohl.
Weitere Kostenlose Bücher