Happy End in Virgin River
zurückführen durfte, dass sie gegen ihn ermittelt hatte. Da es ihr damals nicht gelungen war, ihn zu überführen, konnte sie ihre Zeugenaussage jetzt nicht darauf stützen. Auch deutete der Verteidiger an, dass sie ihn fälschlich beschuldigen könnte, weil sie wütend war, den Fall gegen ihn verloren zu haben.
Brie hätte nicht so häufig im Gerichtssaal sein müssen, wie sie es war. Sie hätte auch abwarten können, bis sie als Zeugin aufgerufen wurde. Aber sie wollte sich an seinen Anblick gewöhnen und sich vor ihrer Aussage Mut machen. Und sie wollte, dass er sie sah, dass er wusste, er würde nicht damit durchkommen. Auch der Staatsanwalt war unter diesen Umständen nicht bereit, sich auf eine Absprache einzulassen, denn das Verbrechen war ein Racheakt gegen ein Mitglied des Gerichts.
Andererseits war es für sie weder ermutigend noch beruhigend, ihn jeden Tag zu sehen. Jetzt wusste sie genau, wie ihre Zeuginnen sich gefühlt hatten. Brie fand kaum Schlaf, hatte Schwierigkeiten mit dem Essen und hatte das Gefühl, unter der Haut zu vibrieren. Es fiel ihr schwer, die irrationale, ausschließlich emotional bedingte Reaktion zu akzeptieren. Schließlich war er doch eingesperrt; er konnte nicht an sie heran. Und rechts und links neben ihr saßen zwei mächtig starke Männer, die vor nichts zurückschrecken würden, um für ihre Sicherheit zu sorgen. Und trotzdem, allein sein Anblick machte sie krank.
Jerome Powell war etwa eins achtzig groß, während seines Aufenthalts in Florida braun gebrannt, das dichte blonde Haar ungepflegt, kantiges Kinn. Ständig lächelte er breit, ein Lächeln, von dem sich bestimmte Frauen angezogen fühlen mochten. Er besaß sehr große Hände und die kräftigen Arme eines Bauarbeiters. Insgesamt war er von kräftiger Statur. Seine Augen waren dunkel, standen eng beieinander und lagen unter dichten Brauen tief in den Höhlen.
Wütend starrte er Brie an. Manchmal lächelte er auch, was ihr den Magen umdrehte. Jedes Mal, wenn er ihr den Kopf zuwandte, um sie anzusehen, spürte sie, wie Jack und Mike sich neben ihr anspannten. Sie sah zu ihnen hoch und musterte ihre Profile – ihr Geliebter und ihr Bruder. Das gefährliche Muskelzucken und die Anspannung in ihren Gesichtern entging ihr dabei nicht. Beide waren sie absolut furchtlose Männer, und Jerome Powell sollte ebenso große Angst davor haben, freigesprochen zu werden, wie ins Gefängnis zu müssen. Aber er saß einfach gelassen da, furchtlos und arrogant.
Die Gespräche am Abend in Sams Haus wurden in gedämpftem Ton gehalten und blieben oberflächlich. Nach dem Essen zogen Mike, Jack und Sam sich in den Patio zurück, während immer ein oder zwei ihrer Schwestern vorbeischauten, um Zeit mit Brie zu verbringen, um für sie da zu sein. Und nachts im Bett umfing Mike sie beschützend und hielt sie fest, während er ihr zuflüsterte, dass er sie liebe, dass er so stolz auf sie sei, dass er sich gar nicht vorstellen könne, wie viel Mut dies erfordere.
„Ohne dich würde ich das nicht aushalten“, sagte sie ihm.
„Ich denke schon, dass du es könntest. Du besitzt diese Stärke. Aber ich bin froh, dass es nicht nötig ist. Du wirst niemals wieder etwas allein aushalten müssen.“
Als der Tag, an dem Brie ihre Zeugenaussage machen sollte, endlich kam, betrat sie tapfer und ruhig den Zeugenstand, um sich vereidigen zu lassen. Der Staatsanwalt durfte sie zu ihren Ermittlungen wegen früherer Verbrechen des Angeklagten nicht befragen, also konnte sie nur ihre Vergewaltigung in allen Einzelheiten schildern. Als sie sich setzte, warf sie einen Blick in den Gerichtssaal und entdeckte Brad hinten unter den Zuschauern. Nun, dachte sie, ob es dir gefällt oder nicht, auch er war davon betroffen. Vielleicht konnten sie alle dieses Kapitel jetzt endlich einmal abschließen und mit ihrem Leben fortfahren.
„Ich hatte lange gearbeitet und kam erst nach Mitternacht zu Hause an. Ich hatte die Garagentür geöffnet, dann aber doch in der Einfahrt geparkt, denn die Garage war voller Gerümpel, das ich schon seit Monaten entsorgen wollte. Ich hatte meine Wagentür noch nicht wieder geschlossen, als ich von hinten am Haar gepackt wurde und er mir den Kopf aufs Autodach schlug. Dann legte er mir den Arm um den Hals, und ich bekam keine Luft mehr. Ich ließ meine Aktentasche fallen und versuchte, in meine Handtasche zu greifen, in der ich eine Waffe trug. Aber die Handtasche flog irgendwie weg. Ich bin mir nicht sicher, ob er sie mir
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