Happy End in Virgin River
nicht eilig hast, nach Sacramento zurück zu kommen, was hältst du davon, wenn wir uns einen ganzen Tag lang Zeit nehmen und an die Küste fahren. Ich kann dir nicht versprechen, dass wir die Wale erwischen, aber dort gibt es viele Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Kunstgalerien, Lokale, die Weinproben veranstalten, Spaziergänge zu den Kaps und am Strand, nette Restaurants. Wir könnten einfach mal einen Tag lang Touristen sein.“
„Würdest du das dann als ein … Date ansehen?“
Er grinste. „Das würde ich“, gab er zu.
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ich auch“, sagte sie und fuhr gleich mit der nächsten Frage fort: „Bevor du deine Frauen geheiratet hast, warst du da eigentlich immer gut mit ihnen befreundet?“
„Zu diesem Thema sollte ich lieber keine Fragen mehr beantworten.“
Sie setzte sich ein wenig auf. „Warum nicht?“
„Das kann dir bei deinem Vorhaben, mir das Herz zu brechen, nur einen unfairen Vorteil verschaffen. Ich möchte das Spielfeld eben halten.“
Damit brachte er sie zum Lachen. Vielleicht lag es auch am Bier, aber es war etwas, das bei ihr gut ankam. Ohne sie übermäßig ernst zu nehmen, nahm er sie sehr ernst. Und sie vertraute ihm, was sie ebenso sehr beruhigte wie beunruhigte. Sie nahm die Füße wieder hoch und schlug sie unter, wobei sie sich ihm gleichzeitig zudrehte. „Warst du es?“, wiederholte sie ihre Frage.
„Nein. Ich habe dir doch erzählt … ich war immer auf der Jagd.“
„An der Geschichte muss mehr dran sein“, behauptete sie.
„Nicht sehr viel mehr.“
„Ich versuche nur, ein paar Dinge zu verstehen“, fuhr sie fort. „Die Vergewaltigung – das fällt nicht schwer. Man kann es zwar nicht fassen, aber es ist absolut zu verstehen. Es war Rache.“
„Ein Hinterhalt“, ergänzte er.
„Ein Hinterhalt“, wiederholte sie nachdenklich.
„Genau wie bei mir“, fügte er hinzu. „Das Einzige, wogegen man sich wirklich nicht schützen kann.“
„Natürlich.“ Sie lehnte sich zurück und wiederholte: „Natürlich.“
„Für diesen Teil der Gleichung habe ich am längsten gebraucht. Zu begreifen, dass es wirklich nichts gab, was ich hätte anders machen können. Oder klüger. Hast du dich auch damit herumgeschlagen?“
Die Unterlippe zwischen den Zähnen, dachte sie einen Augenblick nach. „Mit jeder kleinsten Kleinigkeit daran habe ich mich herumgeschlagen. Aber das, was mir wirklich zu schaffen macht, ist, wie ich es mit Brad so vermasseln konnte. Seit der Vergewaltigung ist aus irgendeinem Grund der Scheidungsschmerz wieder wie neu.“
„Wie kommst du darauf, dass du es vermasselt hast?“
„Ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass er zu der Kategorie von Männern gehört, die es fertigbringen, zu tun, was er getan hat. Damit hätte ich nie gerechnet. Bis ganz an den Anfang unserer Beziehung habe ich mich zurückerinnert. Vom ersten Date an bis zu jedem einzelnen Tag unserer Ehe. Vielleicht habe ich zu viel gearbeitet. Meine Arbeitszeit war sehr lang. Ich hätte mehr darauf achtgeben müssen. Vielleicht habe ich mich stärker für meine Karriere engagiert als für Brad. Ich habe nie …“
Mike nahm die Füße von der Truhe, stellte sie auf den Boden und unterbrach sie: „Brie, es ist sehr gut möglich, dass er es vermasselt hat, nicht du. Als ich dir vor Jahren zum ersten Mal begegnet bin, strahlten deine Augen voll Vertrauen und Engagement. Und voller Liebe. Gott, du warst so in ihn verliebt. Und zusätzlich warst du dann auch noch ein brillanter Erfolgsmensch, eine Frau voller Kraft, Stärke und Mut. Du konntest nie nahe genug bei ihm sein, während du ihm deine ganze Aufmerksamkeit gewidmet hast. Wenn Brad das nicht reichte, darf es für dich kein Grund sein, dir selbst Vorwürfe zu machen.“
„Erzähl mir von ihnen. Erzähl mir, warum du sie geheiratet hast und warum eure Ehen gescheitert sind.“
Vorsichtig streckte er die Hand aus und berührte zärtlich ihr Haar. „Liebes, so interessant ist das gar nicht. Es wird dir nicht dabei helfen, Brad zu verstehen. Das Einzige, worin ich Brad ähnle, ist, dass wir beide Idioten waren.“
„Erzähl’s mir trotzdem“, forderte sie leise.
Er atmete tief durch. „Carmel war neunzehn Jahre alt, als sie bei meinem Vater als neue Buchhalterin und Sekretärin anfing, und während eines Urlaubs lernten wir uns kennen. Danach schrieben wir uns Briefe, einsame, süße Briefe, die immer romantischer wurden. Sechs Monate später, als ich abermals Urlaub
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