Happy Family
der Ecke hängen wie die beiden jetzt. So ein Schlag würde mir glatt den Mumienkopf vom Hals fetzen.
Ich stand nun beim Herd und sagte: «Hey, Tim Mälzer …»
Der Dämon blickte zu mir, ich fixierte sofort seine höllisch funkelnden roten Augen und bat: «Ich wünsche mir, dass du uns Salz und Olivenöl gibst.»
«Zu und zu gerne!», kam die Antwort.
Ich atmete erleichtert durch. Mein Plan ging auf. Der Dämon ließ sich hypnotisieren. Er holte Öl und Salz. Doch dann gab der Kochteufel mir doch nicht die Sachen.
«Was ist?», fragte ich verwirrt.
Und er grinste: «Veraaaaarscht!»
Dabei lachte er, im wahrsten Sinne des Wortes höllisch. Hinter mir hörte ich, wie Max murmelte: «Der Humor dieses Dämons ist suboptimal.»
Dafür war das Fleischermesser, das er zur Hand nahm, beeindruckend. Auf keine gute Art und Weise.
«Jetzt verarbeite ich dich zu Küchentuch», grinste der Höllenkoch mich breit an.
Ich sah auf das große Messer, es machte mir mehr Angst als alles Übernatürliche, das ich in den letzten Tagen erlebt hatte. Viel mehr.
Früher hatte ich nie verstanden, warum in Slasher-Filmen die miniberockten Teenager-Zicken immer schrien, anstatt einfach wegzurennen, wenn der Serienkiller mit einem Messer vor ihnen stand. Aber jetzt konnte ich es nachvollziehen und selbst auch nur noch loskreischen.
Der Dämon hob das Fleischermesser. Wie noch nie zuvor hatte ich Angst um mein Leben, konnte mich aber keinen Schritt bewegen. Ich war komplett in Schockstarre und hörte meinen eigenen Schrei wie ein entferntes Echo.
Der Dämon stach zu …
… und in diesem Augenblick sprang Mama dazwischen.
Das Fleischermesser traf sie voll ins Herz.
Sie fasste sich an die Brust und brach vor mir zusammen.
«Mama!», schrie ich.
Meine Starre löste sich, und ich warf mich zu ihr auf den Boden. Sie hatte eine tiefe Stichwunde im Oberkörper und bewegte sich nicht mehr … Mein Gott, sie bewegte sich nicht!
Max rannte sofort zu ihr, schnupperte hektisch und panisch winselnd an ihr herum.
«Beim eitrigen Beelzebub!», stöhnte der Dämon auf, als er begriff, was er getan hatte. «Ich hab die Vampirin gekillt! Dracula wird sich fürchterlich rächen, wenn er das sieht. Es ist besser, wenn ich das Weite suche!»
Dann legte er die Kochmütze ab und murmelte dabei: «Lieber brat ich wieder Menschen-Burger in der Hölle, als ihm das zu erzählen!»
Sagte es, löste sich mit einem lauten
Knall, Puff, Peng
in Luft auf und wurde nie wieder gesehen.
Ich aber nahm Mama in die Arme, starrte auf die Wunde in ihrem Fleisch und begann loszuheulen: «Mama … Mama …»
Max jaulte dazu wie ein Schlosshund: «Whahuuuuuuu!!!»
Ich konnte an gar nichts mehr denken, nicht daran, dass Mama sich für mich geopfert hatte, nicht daran, dass ich schuld daran war, dass sie starb, nicht daran, was jetzt aus der Menschheit würde … durch meinen Kopf jagten nur die Bilder, wie ich früher auf ihrem Schoß saß, im Schlafanzug, und sie mir vorlas … und wie sie mich im Bett immer zudeckte und mich dabei dreimal küsste … auf die Stirn, auf die Nase und auf den Mund … und während diese Bilder durch meinen Kopf sausten, zog sich mein ganzer Körper zu einem einzigen Weinkrampf zusammen. Ich heulte … und heulte … und heulte …
Mit einem Male hörte ich leise: «Schnuffel …»
Es war Mama!
Sie lag in meinen Armen und redete. Leise, aber sie redete!
Max hörte auf zu jaulen.
«Alles halb so wild», flüsterte Mama. «Vampire haben doch gar kein Herz.»
Sie lebte. Sie lebte. Gott, sie lebte!
Max machte darauf gleich mal Freudenpipi.
Und ich weinte jetzt vor Erleichterung.
Und vor Scham.
Weil ich hohle Nuss sie angemotzt hatte, dass sie mich nicht als Tochter haben wollte.
Dabei hatte Mama ihr Leben für mich riskiert.
Und je mehr ich begriff, wie viel ich ihr doch bedeutete, desto mehr mischte sich in meine Scham ein anderes Gefühl: Jetzt weinte ich auch vor Glück.
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EMMA
Die Stichwunde tat zwar höllisch weh, aber sie verheilte innerhalb einer Minute, dann war nur noch eine Narbe zu sehen, und selbst die verschwand nach einigen weiteren Sekunden. Wir Vampire besaßen ein beeindruckendes Heilfleisch. Kein Wunder, dass man uns nur durch so alberne Dinge wie Knoblauch oder Weihwasser vernichten konnte.
Kalkuliert hatte ich mit der Wunderheilung aber nicht: In dem Augenblick, in dem der Dämon Fee erstechen wollte, folgte ich nur noch meinem Mutterinstinkt. Mein eigenes Leben war
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