Happy Family
bist echt unausgeglichen», stellte er fest.
Ich hoffte inständig, dass er jetzt nicht so blöd war, eine «Hast du deine Tage?»-Bemerkung zu machen.
«Hast du deine Tage?», fragte er.
« FASS ENDLICH AN !»
«So romantisch wurde ich noch von keinem Mädchen aufgefordert», erklärte er eingeschüchtert. Dann berührte er meinen Arm und stellte fest, dass die Bandagen meine Haut waren, und begann zu zittern.
«Ich …», erklärte ich leise, «… ich brauch jetzt wirklich jemand, der mich in die Arme nimmt.»
Jannis sah nicht so aus, als ob er dieser Jemand sein wollte. Eher wie jemand, der selbst in die Arme genommen werden möchte. Aber bestimmt nicht von der hysterischen Mumie, die vor ihm stand.
«Jannis …», flehte ich ihn an, «bitte …»
«Ist … das ein Trick?»
«Nein, ich bin ein Freak!», schrie ich.
«Entweder das, oder du bist total krank, so eine Nummer hier abzuziehen. Beides ist mir ehrlich gesagt unheimlich …»
Während er das sagte, blickte er zur Tür, überlegte sich offensichtlich, ins Haus reinzulaufen und mir die Tür vor der Nase zuzuknallen. Dann sah er mich wieder an mit einer Mischung aus Angst und Abscheu. Als ob ich ein Monster wäre. Was ich äußerlich auch war. Aber innerlich?
«Ich dachte … du schiebst mich auch», fragte ich vorsichtig.
Er überlegte eine Weile, trat nervös von einem Fuß auf den anderen und erklärte schließlich: «Da hab ich mich vertippt.»
Das zeriss mir das Herz. Flüche, Bandagen, Hexen – all das wäre vielleicht noch zu ertragen gewesen, wenn er mich nur geschiebt hätte.
«Was … was wolltest du denn tippen?», fragte ich mit einem letzten Funken verzweifelter Resthoffnung.
«Ich schiele dich», sagte er schwach.
«Was soll das denn heißen?», fragte ich überdreht, «etwa, dass du mich nicht mehr sehen willst?»
«Das ist doch jetzt ganz unwichtig …», sprach er etwas Wahres aus. Wichtig war nur: Er liebte mich nicht.
Und in diesem Augenblick wünschte ich mir, die Blitze der Hexe hätten uns getötet.
«Und außerdem bin ich mit Noemi zusammen», legte Jannis nach.
Er knutschte mit mir rum und war mit einer anderen zusammen? Ausgerechnet mit Noemi? Die war ein echtes Hohltier und hatte nur zwei herausragende Eigenschaften. Und die waren beide an ihrem Oberkörper befestigt. Dass Jannis eine Frau mit Mörderbusen mir vorzog, machte das Ganze noch viel schlimmer. Jetzt wünschte ich, dass die Blitze der Hexe nicht nur mich getötet hätten, sondern auch noch ihn. Und Noemis Busen gleich mit.
Jannis wollte mir jetzt tatsächlich die Tür vor der Nase zuknallen. Ich packte ihn verzweifelt am Arm, starrte ihm in die Augen und sagte todtraurig: «Ich wünsche mir so sehr, dass du mich liebst.»
Kaum hatte ich das ausgesprochen, verwandelte sich sein Gesichtsausdruck, und er schmachtete mit einem Male: «Ich liebe dich.»
«W… w…?», fragte ich verwirrt.
«Ich liebe dich», wiederholte er voller Inbrunst.
Eben hatte ich ihm noch Angst eingejagt, und jetzt zog er mich an sich, genau so, wie ich es mir vor wenigen Sekunden noch gewünscht hatte. Dennoch war ich jetzt nicht ganz sicher, ob ich darüber glücklich sein sollte. Sein Verhalten war echt merkwürdig.
«Du riechst so gut!», erklärte er und atmete meinen Bandagen-Geruch ein, als ob es Chanel Nummer 1 bis 17 wäre.
«Willst du mich verarschen?», fragte ich und schubste ihn beiseite.
«Nein, ich liebe dich», erwiderte er völlig erstaunt und sah mich total verschossen an. Konnte man so etwas vortäuschen? Und wenn nicht, wie kam der Wandel zustande? Was zum Teufel war hier los?
«Und was ist mit Noemi?», fragte ich unsicher.
«Ich interessiere mich nicht für Busen.»
Unglaublich!
Seine wunderschönen Augen blickten mich hingebungsvoll an, ich war drauf und dran, in sie zu versinken. Ich hatte auch keine Lust mehr nachzudenken, was hier los war, und flüsterte: «Ich wünschte, du würdest mich küssen …»
Bevor ich noch vollenden konnte: «aber leider ist mein Kopf ja mit Bandagen eingewickelt», drückte Jannis schon seinen Mund auf den meinen und versuchte, seine Zunge durch das Tuch hindurch in meinen Mund zu drücken. Deswegen konnte ich erst mal nicht viel mehr sagen als: «Hmm …»
Als er damit fertig war, meine Bandage anzusabbern, erklärte er allen Ernstes: «Das war der schönste Kuss meines Lebens.»
Ich schubste ihn von mir weg. Hier stimmte etwas definitiv nicht. Ich dachte nach: Erst hatte ich mir gewünscht, dass
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