Happy Family
durch den Kopf: Anscheinend war Baba Yaga nicht direkt nach Transsilvanien gereist. Ich hatte mir vorgestellt, dass sie sich da einfach magisch hinschnippte, aber vielleicht war sie dafür als Todgeweihte einfach zu schwach. Ganz vielleicht könnten wir die Hexe also sogar auf dem Weg erwischen, vorausgesetzt, sie hatte halbwegs die gleiche Reiseroute, was eher unwahrscheinlich war. Aber wie heißt es doch so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ein Satz, der gerne auch nach Äußerungen fällt wie:
«Unsere Atomkraftwerke sind sicher.»
«Solange das Orchester spielt, kann es um das Schiff nicht schlecht stehen.»
«Wenn wir ganz stillhalten, wird das Rhinozeros an uns vorbeilaufen.»
Oder: «Beim nächsten Mann wird alles anders.»
Chogi wusste dank Gugels Satelliten, wo Cheyenne mit meiner Familie campierte. Als wir über den Waldweg holperten, der uns zu dem VW -Bus führen sollte, schob ich meine Gedanken an Baba Yaga und Dracula beiseite. Denn im Grunde war nur eines wichtig: Ich musste wieder mit meiner Familie glücklich werden. Damit mir das gelang, musste ich drei Schlüssel finden, die ich in den letzten Jahren verloren hatte: die Schlüssel zu den Herzen von Fee, Max und Frank.
Als der knallgelbe VW -Bus in Sichtweite kam, bat ich den Chauffeur anzuhalten. Ich wollte die letzten Meter zu Fuß gehen, um meine Gedanken zu sammeln. Ich stieg aus, und während ich mich vom Auto entfernte, hörte ich Chogi leise murmeln: «Ich muss ganz dringend umschulen.»
Aufgewühlt ging ich auf meine Familie zu. Kaum war ich beim Bus angekommen, lief Max freudig auf mich zu, sprang mit seinen Pfoten an mir hoch, und ich konnte gerade noch sagen: «Bitte nicht abschlabbern.»
Max rollte seine Zunge wieder ein, stellte sich neben mich, und ich kraulte ihm ausgiebig das Fell. Eine ganz neue Erfahrung in zwischenmenschlicher Nähe zu meinem Sohn. Dabei blickte ich zu Fee, die an einem Baum lehnte und von der ich meinte, unter all ihren Bandagen ein erleichtertes Lächeln zu erkennen. Mit einem Male hörte ich hinter mir ein tiefes, den Waldboden in Vibrationen versetzendes Grummeln. Ich drehte mich um und sah einen ziemlich wütenden Frank. Böse grollte er: « DRFMULA ?»
«Ja … Dracula», gestand ich und versuchte, dabei nicht verlegen auf den Boden zu starren.
« FMICK ?», fragte er böse.
«Fmick?» Ich verstand es nicht.
«Ich glaube», versuchte Cheyenne zu erläutern, «wenn er ein englisches Monster wäre, würde er jetzt ‹Fmuck› fragen.»
Oh mein Gott, er dachte, ich wäre mit Dracula im Bett gewesen?
« FMUMSI ?», versuchte er es anders.
«Und ich glaube», setzte Cheyenne erneut an, «das heißt bums…»
« DAS HAB ICH WOHL VERSTANDEN !», unterbrach ich sie.
Dann betrachtete ich mir Frank. Mein Gott, er war wirklich eifersüchtig. Einerseits fühlte ich mich ertappt, es hatte zwar kein «fmumsi» gegeben, dafür aber ein «Fmhändchenhalten». Andererseits war es auch irgendwie toll, dass Frank eifersüchtig war. In seiner menschlichen Gestalt war er stets zu müde gewesen, um so eine Regung zu zeigen. Sein neuer Körper schien den Vorteil zu haben, dass seine Gefühle wieder erwachten. Das hatte auch etwas Schönes.
«Nix fmumsi», antwortete ich Frank und lächelte ihn dabei an.
Max kommentierte das mit: «Das sprachliche Niveau dieser Familie degeneriert rapide.»
Frank sah mich prüfend an, ich hielt dem Blick lächelnd stand. Dann entschied er sich, mir zu glauben, verzog seine Monstervisage zu einem erleichterten Lächeln und seufzte: «Uff!»
Erleichtert atmete auch ich durch. Doch dann fragte Frank erneut: «Fmumsi?» Diesmal deutete er dabei auf sich und mich. Mein Gott, er wollte mit mir schlafen? Ein Schäferstündchen unter Monstern? Plötzlich war ich mir nicht sicher, ob ich es wirklich so schön finden sollte, dass in seinem neuen Körper die Gefühle wieder erwachten.
Bevor ich etwas erwidern konnte, erklärte Fee: «Ich finde, Eltern sollten sich in der Anwesenheit ihrer Kinder nicht über Sex unterhalten. Kinder sitzen deswegen später in teuren Therapiesitzungen, in denen sie mit anderen Gestörten ‹Alle Vöglein fliegen hoch› spielen müssen.»
«Oder sie brauchen ganz, ganz viel Alkohol», ergänzte Jacqueline. «Und wo wir schon beim Thema sind: Ob ihr ekligen Altensex habt, ist mir völlig schnurz. Ich habe tierischen Durst und Hunger!»
Das hatte ich nicht bedacht: Wir waren ja von den Rockern angegriffen worden, bevor wir unsere Sparmenüs hatten
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