Happy Family
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«Und ich bin müde», erklärte Fee, bei der sicherlich neben der körperlichen Erschöpfung auch die seelische mitspielte. Ich sah in den Himmel: Die Sonne ging über dem Wald unter, wir hatten jetzt noch circa zweieinhalb Tage, bis Baba Yaga starb. Andererseits musste ich meiner Familie ein bisschen Ruhe gönnen, wollte ich mich ihr wieder annähern, um die Schlüssel zu ihren Herzen zu finden. Wenn wir nicht allzu lange schliefen, so kalkulierte ich, könnten wir die Nacht irgendwo einkehren und dennoch rechtzeitig nach Transsilvanien gelangen. So verkündete ich: «Wir suchen uns etwas Essbares und dann einen Ort zum Schlafen.»
Alle schienen dankbar zu sein. Auch Frank blickte mich hoffnungsvoll an: «Fmumsi da?»
Cheyenne grinste: «Ich glaube, er fragt, ob ihr dort …»
« ICH WEISS !»
Nachdem Cheyenne uns beim nächsten McDrive reichlich Essen besorgt hatte – dies war keine Situation, in der man sich als Mutter über ausgewogene Ernährung für ihre Kinder Gedanken machte –, quartierten wir uns in einem jener «39 Euro die Nacht»-Hotels ein, die man nahe an Autobahnen findet. Diese Billighotels haben den Vorteil, dass die Rezeption abends von einem Automaten ersetzt wird und wir kein Aufsehen erregten. Als wir durch die neonbeleuchteten Gänge zu unseren Zimmern gingen, stupste mich Max mit seiner Schnauze an und fragte: «Wie hast du eigentlich deinen Blutdurst neutralisiert?»
Ich erzählte ihm von Draculas Pille. Als ich fertig war, fragte er: «Hat Dracula auch gesagt, wie lange die Wirkung des Blut-Surrogates anhält?»
Oh nein! Daran hatte ich noch gar nicht gedacht!
«Ein unsterbliches Leben lang?», fragte Max. «Einen Monat, einen Tag, zwei Stunden?»
Die Antwort wusste ich natürlich nicht. Daher sagte ich zutiefst verunsichert: «Noch ein Rat fürs Leben, mein Sohn: Kein Mensch mag Leute, die einen auf unangenehme Dinge aufmerksam machen.»
Um Franks Paarungsgelüsten zu entgehen und Zeit mit Fee zu verbringen, ordnete ich die Zimmer wie folgt ein: Frank/Max, Jacqueline/Cheyenne und Fee/meine Wenigkeit. Ich ging mit meiner Mumientochter in ein Zimmer, das mit einem selbstreinigenden Klo, zwei Gefängnisbettdecken und einem altersschwachen Röhrenfernseher ausgestattet war.
Ich freute mich jedenfalls, dass ich mit Fee alleine sein konnte, obwohl sie müde und genervt war. Denn jetzt konnte ich den ersten von drei Schlüsseln finden, die ich benötigte, um unsere Familie zu retten.
Aufmunternd sagte ich zu ihr: «Eigentlich doch ganz schön, dass wir beide mal Zeit für uns haben.»
Sie sah mich an, als ob ich gesagt hätte: «Eigentlich doch ganz schön, dass wir beide mal eine Magen-Darm-Grippe haben.»
«Ich meine … wir beide können doch endlich mal in Ruhe ausführlich miteinander quatschen.»
Man konnte förmlich hören, wie Fee genervt «Suuuper» dachte.
«Mal so ein richtiges Mutter-Tochter-Gespräch …», machte ich dennoch munter weiter. Ich konnte ja nicht erwarten, dass ich sie sofort knacken würde.
«Wenn du mit mir wieder über Aufklärung sprechen willst, spring ich aus dem Fenster», kam es zurück. Auf dieses Thema hatte ich genauso wenig Lust wie sie. Die Aufklärungsgespräche, die ich Fee in den letzten Jahren aufgezwungen hatte, zählten sicherlich nicht zu den Sternstunden der Kommunikationsgeschichte.
«Nein», beruhigte ich sie, «ich wollte fragen, ob es irgendetwas gibt, was du dir wünschst.»
«Außer, dass ich keine Mumie mehr bin?», antwortete sie.
«Ich meinte … von mir als Mutter», erklärte ich sanft.
Sie sah mich an, prüfend, und als ich ihr zulächelte, fragte sie mich hoffnungsvoll: «Meinst du das ernst?»
«Ja. Total ernst.»
«Na ja», begann sie zögerlich, «zuerst einmal wäre es schön, wenn du mich weniger anschreist.»
Ich hätte am liebsten Danke gleichfalls geantwortet, erwiderte aber: «Mir macht es ja auch keinen Spaß, ständig rumzubrüllen. Daher werde ich damit aufhören.»
«Versprochen?», fragte sie unsicher.
«Versprochen!» Zur Bekräftigung hob ich sogar die Finger zum Schwur.
Fee lächelte. Es freute sie, was ich versprach. Ich sah zum ersten Mal seit langem wieder ein Lächeln in ihrem Gesicht, und das zu sehen machte mich glücklich.
«Bist du eigentlich glücklich als Buchhändlerin?», fragte sie dann auf einmal völlig unvermittelt.
«Was?»
«Bist du eigentlich glücklich mit deinem Job?»
«Wieso … wieso fragst du das?»
«Na ja», öffnete sie sich,
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